Marokko: Zwangs-Outings nach Instagram-Video

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Foto: Screenshot Instagram

In Marokko werden massenweise schwule Männer gegen ihren Willen geoutet, nachdem eine Instagram-Influencerin ihren meist heterosexuellen Followerinnen geraten hatte, schwule Ehemänner oder Söhne mithilfe von Fake-Profilen auf Gay-Dating-Apps ausfindig zu machen.

Naofal Moussa, auch bekannt als Sofia Talouni, lebt in der Türkei und ist dort als Influencerin tätig. Mehr als 627.000 Menschen folgten der Transgender-Marokkanerin auf Instagram, bis zu 90.0000 Mal wurden ihre Livestreams täglich aufgerufen.

Aus bislang unbekannten Gründen hatte Moussa vor einigen Wochen damit begonnen, in ihren Livestreams auf Instagram gegen schwule Männer zu hetzen und ihnen zu drohen, private Fotos zu veröffentlichen, wenn sie nicht gestehen, dass sie schwul sind. In der letzten Woche ging sie dazu über, ihre meist heterosexuellen Followerinnen aufzustacheln.

„Mädchen und Frauen, die glauben, männliche schwule Ehemänner und Söhne zu haben. Diese Apps zeigen euch schwule Menschen, die sich in eurer Nähe aufhalten. 100 Meter, 200 Meter, sogar nur ein Meter, direkt neben euch im Wohnzimmer“, hört man Sofia im Video sagen, das mittlerweile gelöscht wurde. Dann nennt sie Grindr, ROMEO und Hornet und fährt fort: „Ihr Mädchen solltet falsche Profile erstellen und angeben, dass ihr Bottoms seid. Das bedeutet, dass ihr jemanden sucht, der euch fickt.“

Was folgte, war eine riesige Welle an Übergriffen gegen Personen, die diese Apps nutzen. Homophobe Follower gründeten Facebook-Seiten und teilten dort massenhaft Screenshots aus der App. Mindestens 60 Namen, begleitet von Fotos und manchmal auch Adressen oder Telefonnummern, sollen in der letzten Woche in den sozialen Netzwerken veröffentlicht worden sein. Mehrere Leute sollen Selbstmord begangen haben. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber laut PinkNews konnte fast jeder schwule Mann, mit dem das Magazin gesprochen hatte, mindestens eine Person nennen, die sich deshalb das Leben genommen hat. 

Denn in Marokko sind homosexuelle Handlungen illegal und können mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Außerdem ist das Thema stark tabuisiert und von der Gesellschaft extrem geächtet.

Queere Organisationen sind besorgt

Marokkanische Menschenrechtsorganisationen, wie die Association AKALIYAT (Minderheiten-Verband), sind äußerst besorgt. In einer öffentlichen Stellungnahme verurteilten sie die Denunziationskampagne als Verletzung aller geltenden Gesetze der internationalen Menschenrechtskonvention.

Der Präsident der marokkanischen Vereinigung für Menschenrechte (AMDH), Aziz Ghali, befürchtet, dass der Vorfall von der Regierung benutzt werden könnte, „die Gesetze in sozialen Netzwerken im Allgemeinen zu verschärfen“.

Naofal Moussa gibt sich mittlerweile „reumütig“, wohl auch, weil Instagram ihren Account gelöscht hat. Mit einem neu erstellten Profil bedankte sie sich bei ihren ehemaligen Fans und ließ ihre geschrumpfte Fangemeinde weinenden Auges wissen, dass sie doch nur „das Gute schafft“.

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