Auswärtiges Amt outet queere Asylsuchende in ihrer Heimat

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Im Rahmen der Überprüfung von Fluchtgründen, die das Auswärtige Amt auf Bitten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bei Asylsuchenden durchführt, kam es in mehreren Fällen zu Zwangsoutings der Betroffenen sowie weiterer Personen in ihrem Herkunftsland. 

In mehreren Fällen haben Nachforschungen, die von Vertrauensanwälten deutscher Botschaften und Konsulate des Auswärtigen Amts (AA) im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchgeführt wurden, dazu geführt, dass die sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität der Antragstellenden und weiterer Personen in den jeweiligen Herkunftsländern der Asylsuchenden offengelegt wurde.

Foto: Marcus Brandt / Pool / AFP

Dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) sind konkrete Fälle zumeist schwuler oder bisexueller Männer aus Kamerun, Tansania, Nigeria und Pakistan bekannt. In mindestens zwei Fällen kann der LSVD die Ereignisse mit Dokumenten des AA und des BAMF beweisen. In einem dritten Fall wird ein ähnliches Muster vermutet. Auch deute „nichts darauf hin, dass es keine weiteren Fälle gibt“, so Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des LSVD in einer Pressemitteilung vom 21. Mai 2021.

Grafik: https://ilga.org/maps-sexual-orientation-laws

Vor-Ort-Recherchen ...

Wie solche Vor-Ort-Recherchen eines Vertrauensanwalts ablaufen können, schilderte der Evangelische Pressedienst (epd). Ein Pakistaner, der in Deutschland auf die Anerkennung seines Asylantrags wartet, erzählte dem epd, dass er von seinem Bruder am Telefon gefragt worden sei, ob er diesen und jenen Mann, diese und jene Frau kenne und ob er eine Beziehung mit diesen Personen gehabt habe. Ein Mann sei im Dorf gewesen und habe wissen wollen, ob es in der Region eine „homosexuelle Szene“ gebe und auch, ob der Asylbewerber bisexuell sei. Mit dem Vater des Betroffenen habe der Mann, ein Anwalt, wie sich später herausstellte, über alle Informationen gesprochen, die sein Sohn im Asylverfahren angegeben hatte. 

Ähnlich entsetzlich mutet ein weiterer Fall an, über den der LSVD berichtete. Dabei sei einem iranischen Asylsuchenden angelastet worden, dass er selbst 20 Tage nach seiner Ankunft in Deutschland noch in keiner App nach anonymem Sex gesucht habe, obwohl er wisse, dass Homosexualität in Deutschland nicht strafbar sei. Das BAMF leitete daraus ab, der Iraner habe kein Interesse daran, seine Sexualität offen und frei zu leben. Als weiteres hanebüchenes Indiz führte das BAMF an, der Asylsuchende habe in seiner Kindheit sexuelle Gewalt erlebt und verhalte sich aus Angst vor erneutem Missbrauch ‚vorsichtig‘. 

... sind klare Menschenrechtsverletzungen

Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss 2 BvR 1899/04 vom 26. Januar 2005 deutlich gemacht hat, sind Zwangsoutings von Geflüchteten im Rahmen von Nachforschungen zur Überprüfung von Fluchtgründen verfassungswidrig. Insofern handelt es sich um „Menschenrechtsverletzungen“, die sofort gestoppt werden müssen. Der LSVD hat nach Bekanntwerden dieser Fälle das Auswärtige Amt (AA), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) informiert und die Einstellung dieser Praxis gefordert.

Auf eine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke (die Linke) antwortete das BMI, es werde den Sachverhalt prüfen:

Die Bundesregierung bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden seitens des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) über aktuell drei Fälle informiert, in denen aus den Ermittlungen im Herkunftsland Schlussfolgerungen über die sexuelle Orientierung Schutzsuchender ableitbar gewesen seien.

Diese Fälle hat das BAMF zum Anlass genommen vor Anfragenstellung an das Auswärtige Amt (AA) zusätzliche Schritte vorzusehen, welche die Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und die übermittelten Inhalte einer Anfrage an das AA intensiver überprüfen. Das BAMF arbeitet derzeit an der Umsetzung dieser Maßnahmen. Hinsichtlich der vom LSVD benannten Verfahren überprüft das BAMF die Asylverfahren und wird nach Abschluss der Überprüfung die Asylantragstellenden über das Ergebnis der Prüfung informieren.

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