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#Kommentar đŸ‡©đŸ‡Ș Einigkeit, Recht, Freiheit? Schön wĂ€r's!

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Zynisch lÀsst die Abschiebung einer lesbischen Frau all jene Kommentatoren wirken, die in der Debatte um das Motto des ColognePride die deutsche Nationalhymne als Leuchtturm unserer Werte verklÀren. 

„Einigkeit“ im Kampf gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Respektlosigkeit. „Recht“ auf Selbstbestimmung geschlechtlicher IdentitĂ€t. „Freiheit“ von Angst, Verrohung der Gesellschaft und fĂŒr Meinungsfreiheit. So sollte es gelesen werden, dass vom KLuST auserkorene Motto fĂŒr den CSD 2020 in der Domstadt. Eine pfiffige Idee, sich durch Vereinnahmung nationaler Symbolik gegen die zu positionieren, die Fahne und Deutschlandlied so pervertiert fĂŒr ihre Zwecke nutzen. Allerdings wohl ein bisschen zu pfiffig.

Die Abgrenzung zur Nationalhymne und damit leider auch zu plumpem Nationalismus gelang nicht. Dass populistische Gruppierungen und Personen die Deutschlandkarte ausspielten, war zu erwarten. War vielleicht auch gewollt. Es sollte darum gehen, die heroischen Worte mit Sinn zu fĂŒllen und aufzuzeigen, wo dieser Staat und diese Gesellschaft jenen noch nicht erfĂŒllt.

Was aber nicht vorhersehbar schien, war die Tatsache, dass auch Menschen um die es geht die Abgrenzung zum Nationalismus nicht mitdenken konnten. Transsexuelle, Intersexuelle, Transidente, die noch immer unter gesetzlicher Diskriminierung leiden, queere Migranten die von diesem Staat allzu oft enttĂ€uscht werden – sie waren die ersten die anmerkten, dass sie sich nicht wohl fĂŒhlen unter einem so „deutschen“ Motto. Dass sie ein Problem damit haben auch nur gefĂŒhlt „mit“ diesem Staat auf eine Demonstration zu gehen, auf der sie eben diesen Staat kritisieren. Gut, dass diese Argumente trotz der schrillen und abstoßenden Exzesse gehört wurden.

Lesbische Ehefrau abgeschoben

Ein ganz aktueller Fall unterstreicht die Problematik auf unfassbar zynische Weise:

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Unsere Klientin wurde abgeschoben. Sie und ihre Freundin sind verliebt, haben zusammen gewohnt und wollten es auch in Zukunft. Unsere Klientin ist of Color, ohne europĂ€ischen Pass, ihre Partnerin weiß und deutsch. Sie sind verheiratet. Aus Sicht des deutschen Staates ist die Ehe der Beweis der Liebe schlechthin und die Verpflichtung, ein Leben lang fĂŒreinander auch finanziell zu sorgen. Das hielt die AuslĂ€nderbehörde jedoch nicht davon ab, unsere Klientin abzuschieben.

Wir und auch andere Organisationen haben mit hohem Einsatz, Briefen und AnwĂ€lt*innen versucht, dies zu verhindern. Und dennoch wurde den Ehepartnerinnen nicht geglaubt, dass sie tatsĂ€chlich verliebt sind und eine Scheinehe unterstellt. WĂ€re das bei einem heterosexuellen Paar auch passiert? Oder bei einem Paar mit zwei weißen Partner*innen?

FĂŒr uns ist das schwer zu ertragen und Ă€hnliches passiert immer wieder und viel zu oft. Die Abschiebung hat unsere lesbische Klientin in eine lebensgefĂ€hrliche Situation in ihrem Herkunftsland gebracht. Durch die Abschiebung wurde die Liebe und das Leben zweier Menschen zerstört. Uns stellt sich die Frage, lĂ€sst sich Liebe beweisen?“

LesMigraS auf Facebook

Soll diese Abschiebungswitwe allen Ernstes einig mit grölenden Nationalisten, die es ohne Zweifel in Scharen aus ihrem braunen Sumpf lockt, am Rhein gegen eben dieses Unrecht, diesen massiven Freiheitsentzug demonstrieren? Wer das ernsthaft verteidigen möchte, sollte sich ĂŒberlegen ob er wirklich noch einem freiheitlichen Wertekanon folgt, oder lĂ€ngst ChimĂ€ren erlegen ist. 

„Die Nationalhymne wird im Grundgesetz nicht erwĂ€hnt. Adenauer wurde bei seinen ersten Staatsbesuchen mit „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ und „Heidewitzka Herr KapitĂ€n“ begrĂŒsst. Die Flagge taucht bewusst erst in Art. 22 auf, also nicht bei den Artikeln mit Ewigkeitsgarantie. Der Staat grĂŒndet nicht auf Symbolen, sondern auf seinen Werten.“

Stefan Zacharias auf Facebook

Die völlig entgleiste Debatte wird ganz sicher in die queeren GeschichtsbĂŒcher eingehen und die Wunden, die sie gerissen hat, werden bei einigen wohl noch lange zu spĂŒren sein. Was aber auch in die GeschichtsbĂŒcher eingehen sollte, ist nachfolgender Absatz aus der Mitteilung des KLuST zur RĂŒcknahme des gescheiterten Mottos.

Foto: Pulse of Europe

CSDs sind „eine Plattform, auf der die Menschen der so vielfĂ€ltigen und diversen queeren Community, in eben dieser Vielfalt fĂŒr ihre Rechte eintreten können. Diese Rechte sind nicht zwingend fĂŒr alle universell; jeder Mensch hat individuelle BedĂŒrfnisse. Nicht jeder muss die sich aus diesen BedĂŒrfnissen ergebenden Forderungen des anderen nachvollziehen können. Dennoch darf dabei nicht die Empathie verloren gehen, die Forderungen und BedĂŒrfnisse des anderen Menschen zu hören und mitzufĂŒhlen.“ Vielleicht hĂ€tte es statt des Deutschlandliedes das EU-Motto eher getan:

„In Vielfalt geeint. FĂŒr Menschenrechte!“ 

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