KOMMENTAR • ORLANDO – EIN WECKRUF FÜR MODERNE MUSLIME

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Die tragischen Ereignisse von Orlando könnten auf lange Sicht einen Wendepunkt im Umgang der Muslime mit Homosexualität darstellen. Was mit der Arbeit des schwulen Imam Ludovic-Mohamed Zahed begann, ermuntert viele andere moderne Muslime, egal ob homo- oder heterosexuell, der menschenverachtenden Homophobie einiger Gelehrter und politischer Machthaber entgegenzutreten.

Foto: http://queermuslimproject.tumblr.com/

Der in Algerien und Frankreich aufgewachsene Zahed hat bereits 2012 in Paris eine Moschee gegründet, in der Schwule und Lesben willkommen sind. Als promovierter Anthropologe und Psychologe hält er auch weltweit Vorträge über eine liberalere Auslegung des Korans. Dieser sei über Jahrhunderte tolerant gegenüber homosexuellen Menschen gewesen. Der Prophet selber habe weibliche Männer, Mukhannathun, in seinem Haus aufgenommen.

Mittlerweile gibt es bereits zehn schwule Imame weltweit. Einer der ersten war Mushin Hendricks, der in Südafrika über eine schwulenfreundliche Lehre predigt, in der Homosexualität nicht im Widerspruch mit einer islamischen Identität steht. Noch mutiger ist Daayiee Abdullah, der in Washington die „Light of Reform Mosque“ gegründet hat und dort in den vergangenen 13 Jahren über fünfzig schwule Heiratszeremonien vorgenommen hat. Sogar das Begräbnis eines HIV-Positiven führte er durch, nachdem jeder andere Imam sich geweigert hatte. Mittlerweile wurde auch in England ein muslimisches Lesbenpaar verheiratet. In Deutschland lehrt ein Schwuler, Rahul Eks, in der Sufi-Tradition, einer mystischen Richtung des Islams.

In einem beeindruckenden Fotoprojekt von Samra Habib wird gezeigt, wie schwule und lesbische Muslime mit ihrer Sexualität in offener und moderner Weise umgehen. In einem Statement zu der Tat in Orlando weist Habib darauf hin, wie schwer es für homosexuelle Muslime ist, sich sowohl der Verfolgung durch Islamisten zu erwehren und gleichzeitig auch Gegenstand einer zunehmenden islamophoben Verfolgung zu werden. Zugleich würde von ihnen erwartet, sich von Gewalttaten wie der in Orlando zu distanzieren, wobei die allermeisten Opfer radikaler Islamisten Muslime selber sind. •Olaf Alp

http://queermuslimproject.tumblr.com

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