© Foto: SPD Fraktion im Bundestag
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Der Kandidat mit Beinfreiheit. Die braucht er auch, um gegen die geballte Allianz aus Gegnern anzukommen, die das Merkel-Lager in Medien und Politik in Stellung gebracht hat. Peer Steinbrück hatte keinen einfachen Start. Zumindest auf dem Feld der gleichstellungspolitischen Themen zeigt er aber keine Schwächen, wie die Antworten auf unsere Fragen deutlich machen. ck
HERR STEINBRÜCK, SEIT WANN IST GLEICHSTELLUNGSPOLITIK FÜR SIE GANZ PERSÖNLICH EIN THEMA? GIBT ES DA EINEN BESTIMMTEN MOMENT?
Keinen Schlüsselmoment, aber den braucht es auch nicht. Ich möchte, dass in Deutschland alle Menschen dieselben Chancen haben egal ob homosexuell oder heterosexuell, egal ob Mann oder Frau, egal ob alleinerziehend oder in einer Patchwork-Familie lebend. Jeder soll über seinen Lebensentwurf selbst entscheiden und ihn verwirklichen können, auch gleichgeschlechtliche Paare. Die SPD ist an dieser Stelle übrigens sehr klar: Wir wollen die Ehe für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften öffnen.
IN IHRER ZEIT ALS FINANZMINISTER IN DER GROSSEN KOALITION HAT SICH IN SACHEN STEUERLICHER GLEICHSTELLUNG HOMOSEXUELLER NICHT VIEL GETAN. BEDAUERN SIE DAS?
Das stimmt so nicht! Immerhin haben wir in dieser Zeit die Gleichstellung im Erbschaftsteuer-Recht durchgesetzt. Richtig ist aber: Die CDU/CSU ist in Sachen Gleichstellung nicht erst seit 2009 ein Bremsklotz. Auch darum wollen wir bei der Bundestagswahl am 22. September die gesamte Koalition ablösen. Wir wollen Rot-Grün statt Gelb und Schwarz.
ALTKANZLER KOHL WAR VOR KURZEM TRAUZEUGE BEI DER VERPARTNERUNG SEINES SCHWULEN FREUNDES. FÜR DIE SZENE WAR DAS EIN FAST UNGLAUBLICHER VORGANG. SIE WOLLEN ALLERDINGS DIE LEBENSPARTNERSCHAFT NICHT WEITER GLEICHSTELLEN, SONDERN DIE EHE FÜR LESBEN UND SCHWULE ÖFFNEN. WARUM?
Was den Altkanzler betrifft, der ist bei diesem Thema offenbar weiter als die heutige Amtsinhaberin. Das ist schon bemerkenswert. Aber unabhängig davon: Was wir wollen, ist die volle Gleichstellung. Und zwar nicht nur mit Blick auf die gegenseitige Fürsorge zweier Menschen, sondern auch, wenn es um die Gleichberechtigung etwa beim Adoptions- und Steuerrecht geht. Uns geht es also um mehr als nur die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft. Darum wollen wir die Ehe öffnen. Die Merkel-CDU bewegt sich hingegen erst, wenn das Bundesverfassungsgericht sie dazu zwingt. Anstatt aktiv zu gestalten, ließ sich die Koalition bei der Frage der Gleichstellung gleich mehrfach von den Richtern in Karlsruhe vorführen.
AUCH AUF DEM GEBIET DER ENTSCHÄDIGUNG DER OPFER DES § 175 IST DIE SPD MITTLERWEILE EINDEUTIG POSITIONIERT. WAS ENTGEGNEN SIE DEN KRITIKERN, DIE MEINEN, DASS EIN BUNDESDEUTSCHES GERICHTSURTEIL KEIN UNRECHTSURTEIL SEIN KÖNNE UND DAMIT EINE ENTSCHÄDIGUNG AUSZUSCHLIESSEN SEI?
Was Homosexuelle vor allem in den 50er- und 60er-Jahren teilweise erlebt haben, ist erschütternd. Existenzen von Männern wurden offenbar zu Tausenden zerstört, indem gegen sie ermittelt wurde, sie angeklagt und verurteilt wurden. Es ist höchste Zeit, dass Juristen dafür eine Lösung finden.
DIRK NIEBEL HAT GEGENÜBER AFRIKANISCHEN STAATEN AKZENTE GESETZT, WIE AUCH MENSCHEN- UND DAMIT HOMORECHTE IN DER ENTWICKLUNGSHILFE ZUM TRAGEN KOMMEN KÖNNEN. HERR WESTERWELLE HAT ENGAGIERTE AUSSAGEN ZUM BEISPIEL RUSSLAND BETREFFEND GEMACHT. WIE WÜRDEN EIN KANZLER STEINBRÜCK UND SEINE AUSSEN- BZW. ENTWICKLUNGSHILFEMINISTER AUF DIESEM GEBIET WIRKEN UND DEUTLICH MACHEN, DASS HOMORECHTE AUCH MENSCHENRECHTE SIND?
Wir betrachten die jüngsten Ereignisse mit großer Sorge. Russland scheint das Rad der Zeit gegenwärtig zurückzudrehen. Eine von mir geführte Bundesregierung wird Menschenrechtsverletzungen nicht hinnehmen. Der falsche Weg wäre aber eine Art imperialistische Entwicklungspolitik. Weiter kommen wir mit Verständigung und damit, Menschenrechtsgruppen zu stärken. Eine oktroyierte Politik würde eher schaden, denn sie würde vor Ort vermutlich nicht akzeptiert und Fortschritte dadurch verhindern.
BERLIN UND NRW SIND VORREITER IN SACHEN ABBAU VON HOMOPHOBIE DURCH STAATLICHE FÖRDERUNG VON VERSCHIEDENSTEN PROJEKTEN. SIE SELBER SENDETEN GRÜSSE ZUR ERÖFFNUNG DES REGENBOGENFAMILIENZENTRUMS. GIBT ES PLÄNE VONSEITEN EINER SPD-GEFÜHRTEN BUNDESREGIERUNG, NATIONALE PROJEKTE GEGEN HOMO- UND TRANSPHOBIE ZU STARTEN?
Wir wollen den Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus um das Thema Homophobie erweitern. Wir wollen Regenbogenfamilien stärken und die Ehe öffnen. Das sind alles Wege, um für mehr Akzeptanz zu sorgen. Wir wollen aber auch die Schulaufklärung und die Lehrerausbildung stärken. Schule ist zwar Ländersache, aber wir haben durchaus die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten.
ZULETZT EIN SEHR SPEZIFISCHES THEMA FRAU MERKEL WÜRDE ES WOHL SCHULTERZUCKEND INS NEULAND ABSCHIEBEN: AMERIKANISCHE ZENSUR IST IN INTERNETPORTALEN WIE FACEBOOK ODER EINSCHLÄGIGER PLANETROMEO AN DER TAGESORDNUNG. GIBT ES SEITENS DER SPD IDEEN, WIE MAN ZUM BEISPIEL DIE FREIHEIT DER KUNST ODER AUCH NUR DIE FREIZÜGIGKEIT VON BILDERN (STICHWORT: FREIER OBERKÖRPER) VOR ZENSUR AMERIKANISCHER UNTERNEHMEN, DIE JA HIER IN EUROPA WIRTSCHAFTEN, SCHÜTZEN KANN? ANBIETER WIE APPLE ODER GOOGLE SIND HIER ÄUSSERST RESTRIKTIV ANDERERSEITS HAT DER DEUTSCHE NUTZER KEINE CHANCE, OHNE DIESE FIRMEN AN DEN TECHNISCHEN ENTWICKLUNGEN TEILZUHABEN.
Die USA und Europa haben unterschiedliche Rechtstraditionen und Wertvorstellungen. Mir ist es wichtig, unsere Eigenständigkeit auch in einer globalisierten Welt zu bewahren. Als Bundeskanzler werde ich mich deshalb dafür einsetzen, dass das sogenannte Marktortprinzip auch und gerade für Internetunternehmen gilt. Nach diesem Prinzip müssen Unternehmen, die ihren Hauptsitz nicht in Deutschland oder der EU haben, sich auch an deutsches bzw. europäisches Recht halten.
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