Der Abschwächung der schwulenfeindlichen Stimmung in Südamerika dienen die neuesten Aussagen von Boliviens Präsident wohl kaum. Aber machen Hähnchen homosexuell?
Evo Morales gab auf einem Klimagipfel in der Stadt Cochabamba eine ganz eigene Erklärung zum Einfluss der Gentechnik auf die Gesundheit zum Besten. Besonders das beliebte Fastfood der Amerikaner und Europäer bekam sein Fett weg. Da Hähnchen mit weiblichen Hormonen behandelt würden, sei der Verzehr nicht ohne Folgen: Wenn junge Mädchen dieses Fleisch zu sich nehmen, entwickeln sich ihre Brüste früher. Männer würden ihre Maskulinität verlieren und sexuelle Abweichungen (also Homosexualität) erleiden.
Sollten auch noch Pommes aus Genkartoffeln gegessen werden, drohe Haarausfall, so der 50-jährige Sozialist weiter.
César Cigliutti von der Organisation Comunidad Homosexual Argentina bezeichnete die Aussagen des Präsidenten als absurd. Er glaubt nicht, dass hormonbehandelte Hähnchen die sexuelle Ausrichtung einer Person verändern können.
FAKTENCHECK
Die Hormonforscherin Shanna Swan von der Universität von Rochester im US-Bundesstaat New York konnte in einer medizinischen Studie im Jahr 2007 einen Zusammenhang zwischen der Hormon-Mast bei amerikanischen Rindern und der Spermienqualität von Männern nachweisen. Bei Söhnen von Müttern sank die Spermienqualität parallel zum Rindfleischkonsum der Mutter in der Schwangerschaft.
Die gleiche Wissenschaftlerin sorgte 2009 für Aufsehen, als sie nachwies, dass die sogenannten Weichmacher in Kunststoffprodukten (Phthalate), hier besonders Di(2-ethylhexyl) Phthalat (DEHP) und Dibutyl Phthalat (DBP), hormonwirksam sind und zu einer messbaren Verweiblichung von Jungen führen können.
Phthalate finden sich unter Umständen in Billig-Kinder- oder auch Sexspielzeug aus asiatischer Produktion, oder aber auch in der beliebten Frischhaltefolie, in der das Pausenbrot eingewickelt ist. Die chemische Industrie setzt allerdings immer mehr Ersatzstoffe ein.
Für Hähnchen kann im Prinzip Entwarnung gegeben werden: Die Hormon-Mast bei Hähnchen ist hierzulande verboten und würde auch keine Wachstums- noch Futterausnutzungsverbesserungen bringen. Hähnchen werden vor der Geschlechtsreife geschlachtet, so dass eventuelle Hormongaben wirkungslos wären. Allerdings gilt für Hähnchenfleisch, genau wie für alle Massentierhaltungsprodukte, dass sich Antibiotika- und Medikamentenrückstände negativ auf den menschlichen Organismus auswirken können. Grenzwerte und Vorschriften sollen dies in Europa jedoch verhindern. ck
