Nein, die ersten Einblicke in die Blätter der Teilnehmer des Koalitionspokers zeigten kein Ass für die vollständige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften oder gar die Eheöffnung. Vielleicht werden diese Karten aber noch einmal neu gemischt, denn Widerstand kommt von allen Seiten des politischen Spektrums.
Am Wochenende trafen sich die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) in Hamburg und verabschiedeten eine Erklärung, in der sie die Unionsparteien selten deutlich auffordern, die vollständige Gleichstellung nicht länger zu blockieren. Vielmehr erwartet der Verband von seiner Partei sogar ein Voranschreiten im Gesetzgebungsverfahren: Wir erwarten ein Rechtsbereinigungsgesetz, in dem die letzten verbliebenen, geringen Unterschiede zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft beseitigt werden. Bei allen diesbezüglichen Abstimmungen inklusive zum vollen Adoptionsrecht fordern die LSUler eine Aufhebung der Fraktions- und Koalitionsdisziplin, da es sich um Gewissensfragen handelt.
Wir als Lesben und Schwule in der Union können es nicht mehr hinnehmen, dass LSBTI und ihre Rechte weiterhin dafür herhalten müssen, einen konservativen Markenkern zu betonen, während in vielen anderen Politikfeldern Unionspositionen geräumt werden. Das ist nicht nur unwürdig den betroffenen Menschen und ihren Familien gegenüber, es ist angesichts der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts einer Rechtsstaatspartei wie der Union auch unwürdig und alles andere als konservativ.
Auch die Schwusos reagierten auf die von Parteichef Gabriel und den Sondierungsgesprächen durchgesickerten aufgeweichten SPD-Forderungen und sendeten im Anschluss an eine Klausurtagung in Düsseldorf deutliche Worte: Die volle Gleichstellung von Lebenspartnerschaften sowie die Öffnung der Ehe sind eine Ausgestaltung von verfassungsgemäßen und diskriminierungsfreien Rahmenbedingungen. Lesben und Schwule sind gesellschaftliche mehrheitlich akzeptiert. ... Während die Gesellschaft einen immer stärkeren Wandel durch laufen hat und Homosexualität heute akzeptiert ist, bleibt die Union und an ihrer Spitze die Bundeskanzlerin bei ihrer diskriminierenden Verweigerungshaltung, Lesben und Schwulen gleiche Rechte zuzugestehen. Diese Weigerung kann noch nicht mal durch eindeutige und klare Warnungen des Bundesverfassungsgerichts beseitigt werden vielmehr werden sogar Verfassungsgerichtsurteile ignoriert.
An die Union adressiert fordern die Schwusos, genau wie die LSU, eine Umkehr im Abstimmungsverhalten: Es ist die Zeit, auch in der Union Nein zu sagen. Gerade viele Großstadt-Unionisten wissen, dass die anhaltende Ablehnung gleicher Rechte von Lesben und Schwulen auf Dauer nicht zu tragen ist. Dennoch wird der eigenen Führung nicht die Gefolgschaft versagt. Es müssen nun auch aufrechte Unions-Mitglieder aufstehen und Nein sagen. Ein diskriminierender Kurs passt in kein christliches und konservatives Weltbild. Der britische Konservative Premierminister David Cameron hat vor gemacht, dass die Öffnung der Ehe auch von Konservativen umgesetzt wird und kein Spielball der politischen Linken ist.
Zusammenfassend veröffentlichte auch Axel Hochrein, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) eine Aufforderung an die Verhandlungspartner und erinnerte darin an die Vorgaben des Bundesverfassungsgericht: Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass die Diskriminierung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften gegen die Verfassung verstößt. Der Gesetzgeber ist aufgefordert worden, das Steuerrecht und das Adoptionsrecht zu reformieren. Das ist bislang nicht oder nur lückenhaft erfolgt. Verfassungswidrige Regelungen müssen reformiert werden. Dieser Aufgabenstellung muss sich die neue Bundesregierung stellen. Am sinnvollsten ist das mit einer Änderung von § 1353 BGB, so dass auch gleichgeschlechtliche Paare die Ehe eingehen können. Der LSVD erinnert insbesondere die SPD sowohl an ihre Wahlversprechen, als auch an die Kampagne 3+, zu deren Unterstützern die SPD zählt. Eine große Koalition hätte eine verfassungsändernde Mehrheit und sollte demnach die überfällige Verankerung des Verbots der Diskriminierung auf Grund der sexuellen Identität in Artikel 3 Absatz 3 GG durchsetzen. ck