So schnell kann Dialog wirken. Noch im letzten Monat wollten Teile der schwulen Szene Hamburgs die Nichte des ehemaligen kubanischen Staatspräsidenten Mariela Castro vom CSD ausladen, da ergreift der 84-jährige Revolutionsführer das Wort und übernimmt die persönliche Verantwortung für Homophobie auf Kuba.
Gegenüber der mexikanischen Zeitung La Jornada sagte Fidel Castro: Wenn einer verantwortlich ist, dann bin ich es. Es ist wahr, dass ich mich in diesen Momenten nicht um diese Angelegenheit habe kümmern können. Ich ertrank in Arbeit und war befasst mit Krisen, mit Krieg und anderen politischen Fragen. Wir hatten so viele und so große Probleme, bei denen es um Leben und Tod ging, dass wir dem Thema gegenüber nicht genügend Aufmerksamkeit haben aufbringen können." Er selber habe keine Vorurteile gegenüber Homosexuellen.
Seit 1990 steht Homosexualität auf Kuba nicht mehr unter Strafe und seit mehreren Jahren kämpft die Tochter des Staatspräsidenten Raul Castro, Mariela Castro, für ein homofreundlicheres Klima in ihrer Heimat. ck
KOMMENTAR ZUR KONTROVERSE UM DEN BESUCH MARIELA CASTROS IN HAMBURG
Geschafft! Vom Salonbolschewisten über die Partymaus bis hin zum liberal-konservativen Marktkapitalisten konnten sich dank Corny Littmann mal alle so richtig aufregen. Die Partymaus nicht zwingend über Castro oder parteiische Stadtmagazine, aber immerhin über schlechte Liedbeiträge an sündigen Musikinseln. Für den Rest gab es endlich einen CSD mit wirklich kontroverser politischer Diskussion. Schade nur, dass sie an der Sache vorbeilief. Frau Castro war Gast beim CSD-Schirmherrn, und das in ihrer Funktion als Aufklärerin und Kämpferin gegen Homophobie auf Kuba. Nicht mehr und nicht weniger. Warum sie von einem Stadtmagazin öffentlich ausgeladen wurde, kann nur vermutet werden. Fakt ist, dass sich Frau Castro gegen CSDs auf Kuba ausgesprochen hat. In Deutschland darf zwar jeder Kritik am Kommerz-Overkill der politischen Demonstration oder an der verzerrten Darstellung der queeren Szene üben allerdings darf der Sprössling einer sozialistischen Dynastie solche Veranstaltungen offenbar nicht als für sein Land ungeeignet bezeichnen. Mariela Castro hätte, folgt man den Kritikern, erst einmal ihrer Familie und politischen Überzeugung, dass die westliche Ordnung auch nicht das Gelbe vom Ei wäre, den Rücken kehren müssen. Bis das passiert, ist auch ein Dialog in den Augen vieler Kommentatoren wohl nicht erwünscht.
Danke Corny für die Einladung Castros zum CSD! Das hat Freude bereitet. Und zumindest ich bin überzeugt, dass Mariela Castro einen guten Weg eingeschlagen hat, um mit sanftem Druck gesellschaftliche Missstände in ihrem Land aufzudecken, die sie zu beseitigen wünscht. Christian Knuth