Ein Moment, der für die einen trivial erscheinen mag, für die anderen ein Affront ist: ein Fußballkapitän, der eine Regenbogen-Armbinde verweigert. Die Entscheidung von Ipswich-Town-Kapitän Sam Morsy, bei einem LGBTIQ*-Inklusionsspiel im Rahmen der Stonewall Rainbow Laces-Kampagne keine Pride-Armbinde zu tragen, wird leidenschaftlich diskutiert: Wie gehen wir mit dem Spannungsverhältnis zwischen individuellen Grundrechten um – in diesem Fall zwischen der Religionsfreiheit und der Freiheit von Diskriminierung?
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Sam Morsy
Ein Symbol der Inklusion – und die Macht, es abzulehnen
Die Rainbow-Laces-Kampagne ist mehr als eine Aktion mit bunten Schnürsenkeln und Armbinden. Sie symbolisiert die Hoffnung auf Gleichheit und Akzeptanz in einem oft konservativen Umfeld, in dem queere Menschen immer noch Ausgrenzung erleben. Eine simple Geste – das Tragen der Armbinde – steht für Solidarität, eine Botschaft, die die LGBTIQ*-Community in der Welt des Profisports dringend braucht.
Sam Morsy, ein praktizierender Muslim, entschied sich, diese Geste abzulehnen. Seine Entscheidung wurde mit Verweis auf seine religiösen Überzeugungen begründet. Der Verein Ipswich Town zeigte sich in einer Stellungnahme respektvoll und betonte gleichzeitig seine Unterstützung für die Kampagne und die LGBTIQ*-Gemeinschaft. Doch wiegt dieser Respekt schwer genug?
Sichtbarkeit vs. persönliche Überzeugungen
Für viele queere Menschen dürfte Morsys Entscheidung wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Fußball, ein Sport, der Millionen Menschen weltweit vereint, bleibt eine Bastion für toxische Männlichkeit und Exklusion. Dabei sind sichtbare Zeichen der Solidarität – gerade von Führungspersönlichkeiten wie einem Kapitän – essenziell, um den Wandel voranzutreiben. Die Argumentation, dass individuelle Überzeugungen geschützt werden müssen, ist nicht falsch. Doch ein Kapitän repräsentiert nicht nur sich selbst, sondern auch das Team, die Fans und die Werte eines Clubs. Was ist die Botschaft an queere Fans und Angestellte, wenn ein Kapitän das Zeichen der Inklusion ablehnt? Und wann überwiegt das Recht auf Sichtbarkeit die persönliche Entscheidungsfreiheit?
Eine Frage des gesellschaftlichen Klimas
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Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Statt dieser One-Love-Binde genehmigte die FIFA acht andere Motive.
Der Fall erinnert an den „OneLove“-Kapitänsbinden-Protest während der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar, wo Homosexualität strafbar ist. Damals setzte sich die Sportjournalistin Alex Scott symbolisch gegen ein Umfeld der Unterdrückung zur Wehr, die Deutsche Nationalmannschaft versuchte sich in seltsamer Symbolik, nachdem die FIFA dem Gastgeberland und seiner Staatshomophobie folgte und mit Verweis auf den Sport als Mittelpunkt des Events sämtliche politischen Symbole untersagte.
Wo ziehen wir die Linie?
Es geht nicht nur um Fußball. Es geht um ein gesellschaftliches Klima, in dem Menschen wie Jake Daniels, der erste offen schwule Fußballer Englands seit Justin Fashanu, Mut beweisen müssen, um ihre Identität zu leben. Es geht um den Druck, den queere Fans und Spieler*innen spüren, wenn das, was für sie ein Zeichen der Hoffnung ist, öffentlich abgelehnt wird.
Dürfen wir von Personen der Ögfentlichkeit verlangen, dass sie ihre Überzeugungen zugunsten eines höheren gesellschaftlichen Guts zurückstellen? Oder müssen wir anerkennen, dass Religionsfreiheit auch die Freiheit zur Ablehnung beinhaltet? Die Antwort ist nicht einfach, aber die Konsequenzen sind klar: Jedes Zeichen, das queere Menschen als Ablehnung empfinden, wirkt wie ein Rückschritt – in einer Welt, die von Gleichheit noch weit entfernt ist.