Es ist ein dunkler Tag für die Demokratie in Georgien. Ein Land, das einst hoffnungsvoll Richtung Westen schaute, hat sich nun endgültig in die klammernden Arme Russlands begeben. Das georgische Parlament verabschiedet einstimmig ein Gesetz, das sich wie ein Schlag ins Gesicht der LGBTIQ*-Community anfühlt – aber es ist mehr als das.
Ein Schlag gegen Freiheit, gegen Liebe, gegen die Menschlichkeit selbst. Unter dem Deckmantel des „Schutzes von Familienwerten und Minderjährigen“ wird in Georgien Queerness kriminalisiert. Was hier als Schutz verkauft wird, ist nichts anderes als staatlich verordnete Diskriminierung.
Die Abgeordneten der Regierungspartei „Georgischer Traum“ sind nicht länger die Vertreter eines freien, europäischen Georgiens. Sie sind Marionetten eines Systems, das Menschenrechte mit Füßen tritt, das unter dem Einfluss des Kremls Gesetze schmiedet, die einzig und allein dem Zweck dienen, Anderssein unsichtbar zu machen, es zu verdrängen, auszulöschen. Pride-Veranstaltungen werden verboten, Regenbogenfahnen zensiert, queere Ehen und Adoptionen verboten – die Liste der Repressionen ist lang, die Brutalität dieser Gesetze unerträglich.
Es sind klare Parallelen zu Putins Russland, das seit Jahren systematisch gegen alles vorgeht, was nicht ins enge, nationalistische Weltbild passt. Es begann mit dem Verbot von „Propaganda“ – ein Begriff, der „Wir dulden keine andere Lebensweise“ bedeutet. Wer nicht ins Schema passt, wird seit dem verbannt aus dem öffentlichen Raum, aus den Büchern, den Filmen, den Straßen. Das gleiche düstere Szenario spielt sich nun in Georgien ab.
Was macht die EU?
Die EU hat Georgien im Dezember 2023 den Status eines Beitrittskandidaten verliehen – ein Meilenstein für ein Land, das sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in Richtung Westen orientiert hat. Das neue Gesetz gefährdet nicht nur den Traum einer künftigen EU-Mitgliedschaft, es gefährdet die Zukunft der gesamten georgischen Gesellschaft. Europa steht für Vielfalt, für Gleichheit, für die Freiheit, zu sein, wer man ist. Mit jedem neuen Gesetz, das LGBTIQ*-Rechte einschränkt, entfernt sich Georgien weiter von diesen Werten.
Die Frage ist: Wann wird Brüssel die Reißleine ziehen? Massenproteste in Georgien haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass die Zivilgesellschaft noch nicht bereit ist, diese autoritäre Entwicklung hinzunehmen. Doch wie lange wird es dauern, bis die Regierung auch diese Stimmen mundtot macht? Das „Gesetz gegen ausländische Einflussnahme“, das im Juni verabschiedet wurde, war bereits ein gefährlicher Schritt in diese Richtung. Das neue Gesetz verstetigt den Marsch in die Vergangenheit. Georgien verabschiedet sich Stück für Stück von den europäischen Werten, von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten.
Die orthodoxe Kirche, die hier in die Politik eingreift, schürt die Hetze zusätzlich, propagiert ein Bild von „Tradition“, das sich gegen alles stellt, was divers und pluralistisch ist. Ebenfalls ganz nach dem Vorbild von Mütterchen Russland. Wer sich in Georgien nun offen zu seiner Sexualität bekennt, muss mit Repressionen rechnen. Dabei geht es um mehr als Gesetze – es geht um ein Klima der Angst. Ein Klima, das Queerness als Bedrohung darstellt, während es in Wahrheit die Angst der Mächtigen vor der Freiheit aufzeigt, die der Souverän, das Volk, gegen sie ermächtigen könnte. *Christian Knuth