Ist er Freund oder Feind? In der Vergangenheit verhielt sich Papst Franziskus in seiner Einstellung zur LGBTIQ*-Community höchst ambivalent – von unterstützend bis unglaublich homophob war alles dabei. In der letzten Woche jedoch traf sich Franziskus mit einer lesbischen Anglikanerin und bezeichnete Homophobie als Charakteristik von Nazis.
In einer Ansprache an die Teilnehmer des Weltkongresses der Strafrechtler am 15. November wich Papst Franziskus von seiner vorbereiteten Rede ab. Stattdessen erklärte er, es sei kein Zufall, „dass zuweilen für den Nationalsozialismus typische Symbole wieder auftauchen“, denn „bestimmte Reden“ von Politikern erinnerten ihn an die Reden von Hitler in den Jahren 1934 und 1936. Das Kirchenoberhaupt machte deutlich:
„Es sind Aktionen, die typisch für den Nationalsozialismus sind, der mit seiner Verfolgung von Juden, Zigeunern, Menschen mit homosexueller Orientierung das zentrale negative Modell einer Kultur der Ablehnung und des Hasses darstellt.
Das ist es, was in dieser Zeit getan wurde, und heute werden diese Dinge wiedergeboren.“ (Quelle)
Wenngleich der argentinische Papst keinen Politiker direkt beim Namen nannte, spielte seine Kritik wohl auf den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro an. Der rechtsextreme Politiker ist ein offener Homohasser, der mit indiskutablen Äußerungen wie „Ich bin homophob und stolz darauf“ immer wieder Schlagzeilen macht (blu berichtete).
Quelle: Reuters Video / 15. November 2019
Papst Franziskus besorgt über Konversionsverfahren
Erst am Tag vor seiner Rede schockierte ein Zusammentreffen des Papstes mit Jayne Ozanne konservative Anglikaner. Die lesbische, evangelikale Anglikanerin ist prominent wegen ihres unermüdlichen Engagements für die Inklusion von LGBTIQ*-Christ*innen. Die Direktorin der Ozanne Foundation arbeitet mit religiösen Organisationen auf der ganzen Welt zusammen, um Diskriminierung aufgrund von Sexualität oder Geschlecht zu beseitigen.
Daneben gilt Ozanne als unermüdliche Kämpferin gegen Konversionsverfahren, die in konservativen religiösen Kreisen nach wie vor weit verbreitet sind. Während des Treffens, das nach der Messe in der privaten Kapelle des Papstes in der Casa Santa Marta in Rom stattfand, sprach Ozanne offen mit Franziskus über die Folgen einer solchen Behandlung. Papst Franziskus „schien zu verstehen, was Konversionstherapie ist“, sagte Jayne Ozanne gegenüber der Thomson Reuters Foundation: „Er schien besorgt zu sein ... ich fühlte mich sehr umarmt.“
Ozanne überreichte dem Papst auch ein Exemplar ihrer Autobiographie Just Love, in der sie unter anderem ihre eigenen Erfahrungen mit dem Konversionsverfahren schildert.
Jayne Ozanne Widmung an Papst Franziskus:
„Vielen Dank für Ihre inspirierende Führung und Ihren aufopfernden Dienst. Bitte helfen Sie mit, dass niemand das Trauma durchmachen muss, das ich durchgemacht habe, als ich versuchte zu akzeptieren, dass Gott mich leidenschaftlich und bedingungslos liebt - so wie ich bin.“
Ozanne erzählte, dass sie die Begegnung niemals vergessen werde.
„Es war sehr bewegend, heute Morgen die Messe mit dem Papst zu feiern. Eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Das Treffen mit ihm danach, die Herzlichkeit seiner Begrüßung und seine Freundlichkeit zeigten, was für ein Pastor er wirklich ist.“