Vier von fünf Woiwodschaften1 in Polen, die sich zur „LGBT-freie Zone“ erklärten, hoben die Resolution am Montag auf, die fünfte bespricht die Option am heutigen Dienstag. Wie die staatliche Nachrichtenagentur PAP berichtete, stimmten die Regionalräte dreier Provinzen am Montag dafür, ihre Erklärung rückgängig zu machen, während die vierte bereits letzte Woche diesen Schritt bekanntgab. Die Entscheidung kommt, nachdem die EU den Woiwodschaften androhte, weitere Fördermittel in Millionenhöhe zu entziehen.
Polen ist in 16 Woiwodschaften aufgeteilt, von diesen 16 Woiwodschaften erklärten sich 2019 fünf – allesamt im Südosten des Landes – zu „LGBT-freien Zonen“. Vier von ihnen hoben den Beschluss seit letzter Woche wieder auf: Die Regionalräte der Woiwodschaften Karpatenvorland (Podkarpackie), Lublin (Lubelskie) und Kleinpolen (Malopolskie) stimmten am Montag für die Aufhebung der Erklärung. Der Vorstand von Heiligkreuz (Świętokrzyskie) hatte den Beschluss bereits letzte Woche bekanntgegeben. Und die letzte „LGBT-freie“ Woiwodschaft Łódź, soll einen möglichen ähnlichen Schritt am heutigen Dienstag besprechen.
Zwar haben sich innerhalb der genannten Woiwodschaften zahlreiche lokale Behörden, Städte und Powiate (dt. Landkreise) seit 2019 der Resolution angeschlossen, die von Aktivist*innen erstellte Karte des Atlas of Hate ist durch die Ereignisse der letzten Tage jedoch deutlich grüner geworden.
Rémy Bonny, Exekutivdirektor von Forbidden Colors, einem EU-weiten LGBTIQ-Fonds mit Schwerpunkt in Brüssel, schrieb auf Twitter:
„4 von 5 polnischen Regionen haben inzwischen die Beschlüsse zur 'LGBT-freien Zone' aufgehoben, nachdem die EU gedroht hatte, 126 Millionen Euro aus dem COVID-19-Konjunkturfonds und möglicherweise einige Milliarden aus dem Kohäsionsfonds abzuziehen.“
Erpressung oder Umdenken?
Die „LGBT-freien Zonen“ und der damit verbundene internationale Aufschrei brachten Polen auf Kollisionskurs mit der Europäischen Kommission, die der Meinung war, dass das Land mit der Resolution gegen das EU-Recht zur Nichtdiskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung verstieß (wir berichteten). Anfang des Monats erklärte die EU in einem Schreiben an die Regionalräte, sie würde finanzielle Mittel für die fünf Woiwodschaften, die sich zu „LGBT-freien Zonen“ erklärt hatten, auf Eis legen.
Dies betraf die REACT-EU-Mittel (REACT steht für: „Recovery Assistance for Cohesion and the Territories of Europe“), eine Aufbauhilfe zur Bewältigung der Folgen der Coronavirus-Krise. In dem Brief der EU hieß es:
„Die Kommission möchte betonen, dass die Erklärung von LGBTIQ-freien/unerwünschten Gebieten, Arbeitsstätten oder Dienstleistungen eine Handlung darstellt, die gegen die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Werte verstößt. Daher werden wir die Anpassungen des REACT-EU-Programms in Bezug auf Ihre regionalen operationellen Förderprogramme zurückstellen.“
„Wir haben uns jahrelang dafür eingesetzt, aber ich muss zugeben, dass mich das nicht glücklich macht. Das wird dem polnischen Volk schaden, und die polnische Regierungspartei PiS ist dafür verantwortlich.“
Rémy Bonny
Rémy Bonny erklärte damals, dies dürfte die regierende Partei PiS schwer treffen. Auf Twitter machte er deutlich:
„Der Anti-LGBTIQ-Krieg der polnischen Regierung schadet leider den polnischen Bürgern, und Kaczynski ist dafür verantwortlich.“
Doch handelten die Regionalräte nun aus Zwang – oder fand aufgrund des massiven internationalen Gegenwindes und der für die Gemeindevorstände neu gewonnenen Perspektive tatsächlich ein Umdenken statt? Das Karpatenvorland verabschiedete Montag im selben Atemzug eine neue Resolution mit dem Namen „Podkarpackie als eine Region mit etablierter Toleranz“, in Lublin gaben die Beamten einen Antrag mit dem Titel „Über den Schutz der Grundrechte und -freiheiten“ auf. Darin heißt es, so die Nachrichtenagentur PAP:
„Wir halten es für besonders notwendig, Schulen und Familien sowie das Recht eines jeden Menschen auf Selbstbestimmung zu schützen.“
1Woiwodschaften sind polnische Verwaltungsbezirke der obersten Stufe. Sie sind zwar vergleichbar mit deutschen Bundesländern, da Polen jedoch ein Einheitsstaat und Deutschland ein Bundesstaat ist, weisen Woiwodschaften anders als Bundesländer keine Staatsqualität auf.