Die slowakische Regierung will durch eine Verfassungsänderung die Rechte von gleichgeschlechtlichen Paaren und Transgender einschränken – und stellt damit den Vorrang von EU-Recht vor nationalem Recht in Frage. Bei dem Vorhaben gehe es um „die Traditionen, das kulturelle und geistige Erbe unserer Vorfahren”, erklärte der nationalistische Regierungschef Robert Fico am Dienstag in Bratislava. Er wolle eine „Verfassungsbarriere gegen den Progressivismus” errichten und wieder auf „gesunden Menschenverstand” setzen.

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Robert Fico
„Es gibt zwei Geschlechter, männlich und weiblich” und dies von Geburt an, heißt es in dem Entwurf der Regierung für die Verfassungsänderung. Fico ließ sich dabei nach eigenen Angaben vom neuen US-Präsidenten Donald Trump inspirieren. Mit diesen Worten hatte Trump vor gut einer Woche verfügt, dass in seinem Land beim Geschlecht nur noch „weiblich” oder „männlich” angegeben werden und nicht etwa „divers”.
Ficos Regierung betont in ihrem Entwurf für die Verfassungsänderung, das Geschlecht könne nur „aus ernsten Gründen” und gemäß der „per Gesetz festgelegten Modalitäten” geändert werden. Weiterhin ist vorgesehen, dass bis auf wenige Ausnahmen künftig nur noch verheiratete Paare ein Kind adoptieren können. Schulen sollen laut dem Entwurf nur lehren, „was in Übereinstimmung mit der Verfassung” sei.
Schon 2014 Ehe für alle verboten
In einer früheren Amtszeit hatte Fico 2014 in die Verfassung schreiben lassen, dass die Ehe eine „exklusive Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau” sei. Sein neues Vorhaben wurde auf der Regierungswebsite veröffentlicht. Einen Monat lang soll nun darüber beraten werden. Dann könnte über die Reform im Parlament abgestimmt werden. Das Nachbarland Ungarn hat bereits ähnliche Bestimmungen eingeführt. Wegen eines Gesetzes der Regierung von Viktor Orban, das unter anderem untersagt, vor Minderjährigen über Homosexualität zu sprechen und Aufklärung an Schulen damit unmöglich macht, läuft gegen Ungarn in Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren.
Widerstand gegen Fico immer größer

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Seit Tagen formiert sich in der gesamten Slowakei immer größerer ziviler Protest gegen den nationalistischen Kurs der Regierung Ficos und seine Russlandnähe
Immer größere Teile der slowakischen Zivilgesellschaft protestieren seit Wochen gegen die Regierung von Robert Fico, weil sie ihm vorwerfen, die Slowakei in Richtung Russland zu lenken, die Justiz zu schwächen, autoritär zu regieren und die Ukraine im Konflikt mit Russland nicht ausreichend zu unterstützen. Sie fordern seinen Rücktritt und eine Rückkehr zu westlichen Werten.
Was kann die EU tun?
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in der vergangenen ersten Amtszeit mehrfach ihre Unterstützung für die Rechte queerer Minderheiten deutlich gemacht und das Verfahren gegen Ungarn eingeleitet. Damals auch mit Unterstützung von Deutschland und Frankreich (m* berichtete). Ob es nun zu einem Verfahren gegen die Slowakei kommt, ist offen. Im Prinzip ist die Slowakai verpflichtet, die Menschenrechte – und damit auch die geschlechtliche Vielfalt inklusive dritter Geschlechtsoption anzuerkennen. Das hatte der Gerichtshof der EU im Herbst 2024 im Fall eines britisch-rumänischen Mannes entschieden (m* berichtete):
„Das Geschlecht ist, wie der Vorname, ein grundlegendes Element der persönlichen Identität. Eine Abweichung zwischen den Identitäten, die aus einer solchen Verweigerung der Anerkennung resultiert, führt zu Schwierigkeiten für eine Person, ihre Identität im täglichen Leben zu beweisen, sowie zu ernsthaften beruflichen, administrativen und privaten Unannehmlichkeiten."
Auch wenn das Urteil sich konkret nur auf die Freizügigkeit innerhalb der EU bezog, ist es dennoch von Menschenrechtsverbänden und Juristen als klares Bekenntnis zu den in der EU universell gültigen Menschenrechten interpretiert worden.
*ck/AFP/yb/bfi