Wie ein Behördenfehler und seine optimistische Rezeption in der ganzen Welt, falsche Hoffnungen weckte, und sogar verfolgten Homosexuellen schaden könnte. Menschenrechtsaktivisten schlagen Alarm.
Tunesien männer* Bericht
Die Anerkennung einer in Frankreich geschlossenen Ehe zwischen einem Tunesier und einem Franzosen durch tunesische Behörden, war auch bei männer* Thema – HIER ist der Bericht zu finden.
Die Wellen, die die Nachricht geschlagen hatte, reichen laut Aussage von Guido Schäfer, ehrenamtlich für die MENA-Region im Rahmen der Aktivitäten der LSVD-eigenen Hirschfeld-Eddy-Stiftung aktiv, inzwischen bis in die UN. Selbst die Ablehnung von Asylanträgen schutzbedürftiger Homosexueller aus dem „sicheren Drittland“ Tunesien könne wegen der fälschlicherweise interpretierten Verbesserung der Lage vor Ort, nicht ausgeschlossen werden. Schäfer gegenüber männer* telefonisch:
„Es war tatsächlich ‚nur’ ein ‚Fehler’ einer Behörde und – so stand gestern – soll er auch rückgängig gemacht werden, also die Anerkennung für das Paar wieder zurückgezogen werden. Das ist zunächst für die beiden betroffenen Menschen ein Problem, weil Homosexualität in Tunesien eben sehr wohl unter Strafe steht, aber auch für die Arbeit der Gruppen vor Ort, die sich wegen der internationalen Presse verschärftem gesellschaftlichen Widerstand ausgesetzt sehen.
International hat die Berichterstattung zu einer Diskussion über den Status von Tunesien bis hin zur UN geführt und auch die eh schon schwierige Ausgangslage für Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung um Asyl bitten, hat sich durch die Berichte über vermeintlichen Fortschritt in dem Land, sicher nicht verbessert.“
Dringender Appell von Menschenrechtsorganisationen
Gestern verbreitete ein breites Bündnis aus queeren Verbänden um die Organisation Mawjoud eine Stellungnahme, die Medien und Verbände auffordert, die keineswegs verbesserte rechtliche Lage von Queers in dem Land zu thematisieren, statt mit falschen Schlussfolgerungen Schaden anzurichten.
Tunesien
Gleichgeschlechtliche Ehen sind in Tunesien immer noch illegal!
Trotz der Nachrichten, die in letzter Zeit über Nachrichtenplattformen und soziale Medien verbreitet wurden, ist die gleichgeschlechtliche Ehe in Tunesien immer noch illegal und wird nicht anerkannt, unabhängig davon, wo die Ehe geschlossen wurde.
Wir fordern Journalisten, Verbündete und andere Organisationen dringend auf, diese Fehlinformationen nicht mehr weiterzugeben und Informationen und Nachrichten aus zuverlässigen Quellen und von Aktivisten zu nutzen, die mit der Situation vertraut sind.
Homosexualität wird in Tunesien nach Artikel 230 des Strafgesetzbuchs immer noch mit drei Jahren Haft bestraft. Das Teilen und Verbreiten dieser Fehlinformationen in den Medien hat dazu beigetragen, dass mehr Spannungen und Gewalt gegen LGBTIQ+ herrschen. Es schuf mehr Feindseligkeit, indem es die queere Community ins Rampenlicht queerphober Menschen stellte, die die Community angreifen und Hassreden verbreiteten.
Tunesien
Der Queer-Aktivismus in Tunesien und in der Mena-Region nimmt zu
Inmitten des Kampfes, der Spannungen und der durch COVID-19 verschärften Verwundbarkeit ist der Queer-Aktivismus in Tunesien und im Rest der Mena-Region nach wie vor stark. Formelle und informelle LGBTIQ + -Organisationen und Allianzen bestehen weiterhin und tragen zum Kampf für die sexuellen und körperlichen Rechte von queeren Menschen bei.
Es gibt viele Projekte und Initiativen, die darauf abzielen, Mitglieder der Queer / LGBTQI + -Gemeinschaft durch rechtliche, medizinische, soziale Unterstützung, Kapazitätsaufbau, aber auch durch Kunst zu unterstützen, um das Bewusstsein zu schärfen und einen sicheren Raum zur Konsolidierung unserer Schnittstellen zu schaffen Vision des Kampfes.
Wir alle bewundern die Bemühungen und den Mut der queeren Organisationen in der gesamten MENA-Region. Wir haben uns vernetzt und zusammengearbeitet, ungeachtet der Versuche, unsere Kämpfe unsichtbar zu machen, und wir verpflichten uns, unsere Arbeit fortzusetzen, wobei die Sicherheit der LGBTIQ + -Gemeinschaft oberste Priorität hat.
„Sichtbarkeit ist wichtig, auch international, um den Druck auf die Verfolgerländer aufrecht zu erhalten,“
so Schäfer abschließend. Diese solle aber auf die Betroffenen und die Umstände vor Ort Rücksicht nehmen.
Hirschfeld-Eddy-Stiftung
Nordafrika und arabischer Raum (MENA-Region) – seit Jahren ein Schwerpunkt der Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Mehr Infos HIER