Eigentlich ein fast unmögliches Unterfangen. Die Serie an Lügen, Übertreibungen und dreisten Behauptungen des (wohl1) schwulen Kongressabgeordneten aus dem US-Bundesstaat New York reißt nicht ab. Sie macht fassungslos. Unter Umständen stoppt aber nun eine ganze 13 Punkte umfassende Anklage der Justiz die Machenschaften des 34-jährigen Berufshochstaplers. Wie bei seinem großen Vorbild Donald Trump und den unter diesem völlig in alternative Realitäten abgedrifteten Republikanern, bedeutet das Gerichtsverfahren aber gegebenenfalls sogar Rückenwind im politischen Washington der Jetztzeit. Der aktuelle Stand:
Betrug, Täuschung, Fälschung
Foto: Wade Vandervort / AFP
George Santos
Dem republikanische US-Abgeordnete George Santos werden in 13 Anklagepunkten Betrug, Geldwäsche, ein Diebstahl öffentlicher Gelder und falsche Angaben gegenüber dem Repräsentantenhaus zur Last gelegt, wie die Bundesstaatsanwaltschaft in New York am Mittwoch mitteilte. Santos plädierte bei einem ersten Gerichtstermin in Central Islip auf Long Island auf nicht schuldig. Er will auch weiterhin 2024 für seine Wiederwahl kandidieren. Der Kongress-Neuling wurde in der Folge gegen eine Kaution von 500.000 Dollar (465.000 Euro) auf freien Fuß gelassen.
„Ich werde kämpfen, um meine Unschuld zu beweisen",
sagte Santos vor dem Gerichtsgebäude vor zahlreichen Journalisten. Offenbar hat er ein Erfolgsrezept gefunden: Lügen, betrügen und sich dann als „nützlicher Hochstapler“ präsentieren. Santos, der seine Karriere auf erfundenen Details seines Lebenslaufs aufbaute, scheint das Motto
„Fake it till you make it"
verinnerlicht zu haben. Im Wahlkampf behauptete er,
- ein wohlhabender Wall-Street-Händler zu sein und über ein beträchtliches Immobilienportfolio zu verfügen. Dabei hatte er jahrelang finanzielle Schwierigkeiten und konnte nicht einmal seine Miete bezahlen.
- Santos dichtete sich den Abschluss einer Elite-Universität an und behauptete fälschlicherweise, für die Investmentbank Goldman Sachs und den Bankkonzern Citigroup gearbeitet zu haben.
- Er behauptete fälschlicherweise, seine Mutter habe die Terroranschläge vom 11. September 2001 im World Trade Center überlebt,
- und bezeichnete sich, ebenfalls fälschlicherweise, als jĂĽdisch.Â
- Er erfand eine familiäre Verbindung zu Opfern des Holocaust und
- stritt zunächst ein Vorleben als glamouröse Dragqueen und die Teilnahme an einem Schönheitswettbewerb in Mexiko ab.
- Seine Ehefrau dĂĽrfte sich ĂĽber diese Wandlung ähnlich verwundert gezeigt haben, wie ĂĽber die plötzliche 1Entdeckung der sexuellen Attraktion des gleichen Geschlechts, die ihr Mann offenbar von Heute auf Morgen auszuleben suchte.Â
- Als Abgeordneter soll er einen Job-Bewerber sexuell belästigt haben.
- FĂĽr Aufsehen sorgte Santos auch, weil er eine Karriere als erfolgreicher Hochschulvolleyballer erfand.
Doch das alles scheint für seine Wählerinnen und Wähler kein Problem zu sein. Im Gegenteil: Santos wird als „nützlicher Hochstapler" gefeiert, der sich mit seiner kriminellen Energie erfolgreich in die Politik geschmuggelt hat. Und wer braucht schon einen ehrlichen Politiker, wenn man stattdessen einen Betrüger haben kann, der „kein Blatt vor den Mund nimmt" und „endlich mal Klartext spricht".
Wie lange kann McCarthy zusehen?
Foto: Olivier Douliery / AFP
Kevin McCarthy kann nicht hinsehen
Die Anklagepunkte sind allerdings schwerwiegend und könnten dazu fĂĽhren, dass er trotz aktuell immer noch bestehender UnterstĂĽtzung durch den MehrheitsfĂĽhrer der Republikaner, Kevin McCarthy, aus dem Kongress entfernt werden muss. Dieser muss allerdings einmal mehr um seine eigene politische Zukunft zittern, hängt diese doch an insgesamt nur neun Stimmen im Abgeordnetenhaus. Unter ihnen neben Santos andere illustre Gestalten des insgesamt sogar zwanzig Köpfe umfassenden „Freedom Caucus“, einem Trump-nahen Zirkels ultrarechter Republikaner. Deren bekannteste Gesichter:Â
- Matt Gaetz (40), Abgeordneter aus Florida, unter Druck wegen des fragwĂĽrdigen Umgangs mit Minderjährigen. Â
- Lauren Boebert (40), Abgeordnete aus Colorado und christliche Fundamentalisten, die ein Gottesreich errichten möchte.Â
- Marjorie Taylor Greene (48), Abgeordnete aus Georgia, betete mit Schauspielern fĂĽr die Inhaftierten Terroristen des 6. Januar 2021, die das Capitol stĂĽrmten und mehrere Menschenleben auf dem Gewissen haben. Gibt sich nicht mit Klimawandelleugung zufrieden, sondern warnt vor der Gefahr von Windrädern fĂĽr fliegende Wale. Wirklich.Â
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Zwar gab es am Mittwoch neue Rücktrittsforderungen gegen Santos aus den Reihen der eigenen Partei, McCarthy schloss sie dem aber nicht an. Es müsse der Ausgang des Prozesses abgewartet werden, sagte der Republikaner-Anführer zu Journalisten.
Das lebendige Erbe des Donald Trump
Fast könnte einem McCarthy ob dieser Zwickmühle leid tun. Aber nur fast: Er hat sich selbst aus purem Machtwillen in sie hineinmanövriert und so maßgeblich zum weiteren Verfall des Anstandes und der Moral der „Grand Old Party“ beigetragen. F
iguren wie die in jeder Hinsicht gefakte Tunte Santos sind die gefährlichen Folgen eines skrupellosen Spiels mit der Wut und der Verwirrung des Wahlvolkes, das spätestens seit dem Wahlkampf Trump gegen Clinton 2016 ohne jegliche Regel gespielt wird. Die laufenden Justizermittlungen bezeichnete Santos dementsprechend als „Hexenjagd". Ein Begriff, den auch Ex-Präsident Donald Trump regelmäßig verwendet, zuletzt erst in dieser Woche, als ihn ein Gericht zu Schadenersatz in Millionenhöhe an eine Journalistin verdonnerte. Die Jury sah es als erwiesen an, dass Donald Trump die Journalistin in den 1990er-Jahren sexuell genötigt habe.Â
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Der nächste Gerichtstermin für George Santos wurde auf den 30. Juni festgelegt. Möge Justitia dem Spuk ein Ende bereiten!