Eine Welle schwerer homophober Gewalttaten überschattet das CSD-Wochenende. Von den wahlkämpfenden und beim CSD sprechenden Politiker*innen der Landesregierung (männer* berichtete) ist bisher nicht viel dazu zu vernehmen, kritisieren u. a. Seyran Ateş und Lala Süsskind. Beide sitzen im Beirat des Antigewaltprojektes MANEO.
„Die Sprachlosigkeit des politischen Berlins irritiert“, teilte das Projekt MANEO am Montag in einer Pressemitteilung mit. Man könne nicht nachvollziehen, warum „schwere Übergriffe, über die bereits gestern viele Medien berichtet hatten, nicht laut und deutlich von Politik und Senat verurteilt wurden. Damit verspielt Berlin seinen Ruf als Stadt, die konsequent gegen Hasskriminalität gegenüber LSBTI* ebenso wie gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Formen von menschenverachtender Gewalt gegen Mitbürger*innen vorgehen will.“
Foto: Lala Süßkind, CC BY 2.0, wikimedia
„Was hier Menschen angetan wurde, nur weil sie schwul, lesbisch, bisexuell, trans oder inter sind, muss öffentlich scharf verurteilt werden. Wir müssen gegen Hassgewalt zusammenstehen und jede Form uneingeschränkt als das benennen, was sie ist: menschenverachtend. Dazu sind wirklich alle in unserer Stadt aufgerufen.“
Lala Süsskind
„Hassgewalt gegen LSBTI*, ebenso Hassgewalt in Form von Rassismus oder Antisemitismus, darf niemals zur Normalität unseres Alltags gehören. Mit jedem Angriff werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Den Betroffenen gilt unsere Anteilnahme und Solidarität, sie brauchen ebenso konkrete Unterstützung und Hilfe,“ so Bastian Finke, Leiter von MANEO abschließend.
Foto: Heinrich-Böll-Stiftung, CC BY-SA 2.0, wikimedia
„Berlin will Regenbogenhauptstadt Europas sein. Damit hat Berlin nicht nur die Verantwortung sondern auch die Pflicht auf Hasskriminalität zu reagieren, egal welchen Hintergrund die Täter haben. Es muss eine ehrliche und menschliche Politik zum Schutz der Opfer unter den demokratischen Parteien uneingeschränkter Konsens sein.“
Seyran Ateş, Rechtsanwältin, Autorin, Gründerin liberale Moschee Berlin
Drei Fälle von brutaler Gewalt
Freitag, 23.7. in Kreuzberg: Am Nachmittag wurde ein schwules Paar (51, 50) in der U1 attackiert. Gegen 17.15 Uhr wurden sie während der Fahrt von einem Unbekannten angesprochen, bedroht und homophob beleidigt. An der Station Görlitzer Park schlug der Angreifer mehrfach mit der Faust zu. Am Bahnhof Schlesisches Tor verließ er den Zug und flüchtete. Einsatzkräfte konnten den 18-Jährigen in der Nähe stellen.
Samstag, 24.7. in Schöneberg: Gegen 18.45 Uhr wurden am Viktoria-Luise-Platz drei Personen einer Gruppe von CSD-Teilnehmenden (eine Frau, 48, zwei Männer, 39 & 51) aus einer größeren Gruppe heraus körperlich angegriffen und teils beleidigt. Die 48-Jährige gab an, einen Schlag gegen den Rücken erhalten zu haben und dann gestürzt zu sein; später wurde sie noch in den Rücken getreten. Auch die Männer wurden geschlagen.
Sonntag, 25.7. in Mitte: Ein Mann (21) wurde durch einen Unbekannten von hinten getreten und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er war gegen 0.20 Uhr mit drei Freunden am Hackeschen Markt unterwegs. In einer Unterführung trat ihm ein Unbekannter unvermittelt von hinten in den Hüftbereich. Darüber hinaus wurde ihm eine Regenbogenfahne entrissen, der Holzstiel zerbrach. Der Betroffene erlitt einen dreifachen Kieferbruch und wird stationär behandelt: Insgesamt 18 Schrauben und zwei Titanplatten wurden zur Stabilisierung des Kiefers verwendet.
Foto: M. Rädel
csd
Am kommenden Samstag plant die GayChurch Berlin einen Protest in der Nähe des Tatortes. Mehr dazu bei blu HIER
Das Opfer des letzten Falles ist ein Mitglied der in Berlin gut vernetzten SPDqueer und so gab es denn inzwischen doch eine deutliche Wortmeldung des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz – allerdings auch erst nach der Pressemitteilung von MANEO, die wie oben beschrieben bereits am 26. Juli 2021 ausgesendet wurde.
Foto: Axel Schmidt / AFP
GERMANY-POLITICS-GOVERNMENT-FLOOD-AID
Dass jemand so brutal angegriffen wird, weil er eine Regenbogenfahne trägt, ist erschreckend, unverzeihlich und inakzeptabel. Ich wünsche unserem jungen SPD-Mitglied schnelle Genesung von den schweren Verletzungen. Queerfeindlichkeit hat in unserer Gesellschaft keinen Platz!
Olaf Scholz, Bundesfinanzminister am 27. Juli 2021 ugegen 14 Uhr auf Twitter