Vor einem Jahr fiel im Senat die Entscheidung, den Denkort zu finanzieren. Mit-Initiator Lorenz damals gegenüber Pink Channel:
„Martins1) Idee war ja mal ein Prisma und zwar mit dem Hintergrund: Nehme ich eine Farbe aus dem Prisma raus, dann ist alles grau in grau. (…) Es ist eine Brücke aus der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft. Das muss es sein.”
Dr. Gottfried Lorenz
Nun hat Dr. Lorenz keine hellseherischen Fähigkeiten und im gleichen Interview auch jegliche Einmischung in den künstlerischen Prozess vorab von sich gewiesen, dennoch dürfte er seine bzw. Martin Eichenlaubs Vision im Gewinnerentwurf durchaus wiederfinden: Ein kreisrunder Pavillon aus Glasscheiben in den Farben der Communitys, getragen von filigranen Edelstahlstelzen wird zukünftig direkt an der Binnenalster Besucher*innen zum Verweilen einladen. Aus Lautsprechern werden Stimmen von LGBTIQ* zu hören sein. Die Jury des Wettbewerbs um die Gestaltung hatte zunächst einen anderen Entwurf zur Umsetzung empfohlen.
Der Wettbewerb startete am 5. Januar 2024 mit der Einreichungsfrist. Im März 2024 hatte eine Auswahlkommission aus insgesamt 149 eingegangenen Bewerbungen 15 Künstler*innen und Teams zur Teilnahme am Wettbewerb ausgewählt. Am 17. Juli tagte das Preisgericht unter dem Vorsitz von Dr. Martin Eichenlaub. Dieses prämierte den Entwurf „Für Capri und Roxi“ der Künstlerinnen Franziska Opel und Hannah Rath mit dem ersten Preis und empfahl ihn zur Realisierung.
Der Gewinnerentwurf der Jury „Für Capri und Roxi“ der Künstlerinnen Franziska Opel und Hannah Rath
Der zweite Preis ging an den „Pavillon der Stimmen“ von Studio Other Spaces, bestehend aus Sebastian Behmann und Ólafur Elíasson. Wie kam es zum Umdenken?
Beteiligung als Grundidee der initiative
Die Initiative von Eichenlaub und Lorenz wurde von Beginn an mit dem unbedingten Willen zur transparenten und offenen Arbeitsweise konzipiert. Zahllose Abende und Nachmittage wurden gemeinsam mit Vereinen, Organisationen und Mitgliedern der Communitys Verbacht, um eine möglichst breite Akzeptanz für den entstehenden Denkort zu finden. Und so wendete sich auch die Kulturbehörde nach dem Votum der Jury wieder an die Communitys:
Foto: Bertold Fabricius
Jana Schiedek
„Die große Qualität der eingereichten Entwürfe macht auch die große Bedeutung eines solchen Denkortes deutlich. Ich danke allen Künstler*innen, die sich beteiligt haben, der Jury, die sich sehr fundiert mit den Einreichungen befasst und nach intensiven Diskussionen die Preise vergeben hat, und ich danke den Vertreter*innen der LSBTIQ*-Communitys, die den Prozess seit vielen Jahren so engagiert und konstruktiv begleiten und sich intensiv mit dem Jury-Ergebnis auseinandergesetzt haben. Die sehr guten Entwürfe haben eine Entscheidung nicht leicht gemacht. Ein Ergebnis des Beteiligungsprozesses war auch, dass an der Alster ein Ort entstehen soll, der sowohl künstlerisch überzeugt als auch Raum für alle Personen der LSBTIQ*-Communitys schafft und zu Begegnung und Akzeptanz einlädt. Unter Abwägung dieser unterschiedlichen Interessen haben wir uns dazu entschieden, den ‚Pavillon der Stimmen‘ zu realisieren. Damit berücksichtigen wir sowohl das Ergebnis der Jury, die diesen aus den insgesamt 14 Einreichungen mit dem zweiten Platz bedacht hat, als auch das eindeutige Votum der Community. Hamburg kann stolz sein, bald an prominenter Stelle zu zeigen, dass wir für Vielfalt und Toleranz stehen und die Stadt kann sich auf einen Ort freuen, der dies selbstbewusst und einladend deutlich macht.“
Kulturstaatsrätin Jana Schiedek:
Eine Entscheidung, die beim Vorsitzenden der Jury auf Zustimmung trifft:
„Das Preisgericht hat aus 14 bemerkenswerten Entwürfen zwei mit einem Preis ausgezeichnet. Doch welchen Sinn hat eine künstlerische Gestaltung eines Ortes ohne die Akzeptanz derjenigen, um die es bei dem Ort geht? Beim Denk-Ort-Dialog hat sich die vielfältige, Hamburger queere Community einstimmig für einen von zwei prämierten künstlerischen Entwürfen ausgesprochen und klar gemacht, mit welcher künstlerischen Gestaltung sie sich identifizieren kann und welche dem von ihr erstellen Ausschreibungstext am ehesten entspricht.”
Dr. Martin Eichenlaub:
Auch vom LSVD Hamburg gab es gegenüber hinnerk einen zustimmenden Kommentar:
„Wir begrüßen die Entscheidung und freuen uns auf die Umsetzung."
Wolfgang Preussner, Vorsitzender LSVD Hamburg
Nach rund sechs Jahren steter Überzeugungsarbeit und einem mustergültigen Beteiligungsverfahren geht das Projekt „Denk-Ort sexuelle Vielfalt” damit in die abschließende Phase der Umsetzung. Schon zum nächsten Hamburg Pride dürfte jede*r sich an den farbigen Lichtreflexionen und den im Rauschen der Großstadt vermischten Stimmen und Klängen der Alsterwellen erfreuen können.
➡️ denkmal-sexuelle-vielfalt.de
Meinung
Bei aller hanseatischen Zurückhaltung der Beteiligten: Ihr könnt stolz auf euch sein, Hamburg kann stolz auf sich sein. Ein solch einfaches, wie gleichsam symbolisch aufgeladenes Kunstwerk in maximal exponierter Lage im Herzen der Hansestadt Hamburg, kann gar nicht genug gewürdigt werden. Toll!
*Christian Knuth
1) Dr. Martin Eichenlaub ist zusammen mit Dr. Gottfried Lorenz Initiator des Projektes