Foto: M. Rädel
outinchurch
Ein Paukenschlag und ein wichtiges Zeichen: Zeitgleich mit der Ausstrahlung der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ von Hajo Seppelt, Katharina Kühn, Marc Rosenthal und Peter Wozny outeten sich gestern mit der Initiative „#OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst“ 125 LGBTIQ*-Menschen, die haupt- oder ehrenamtlich in der römisch-katholischen Kirche im deutschen Sprachraum tätig sind.
Jedes Kirchenoberhaupt, das sich schützend vor die queere Szene, die LGBTIQ*-Community stellt, ist ein wichtiger Akteur auf dem Weg in eine tolerante Zukunft. Wichtig ist aber auch, dass die Gläubigen und die Mitarbeiter*innen queer leben dürfen, eben so, wie Gott sie schuf. „Viel zu oft wird abstrakt über die Betroffenen gesprochen. Mit #OutInChurch werden diejenigen, um die es geht, in der Kirche selbst hörbar und sichtbar“, erklärt Initiator Jens Ehebrecht-Zumsande, Referent im Generalvikariat des Erzbistums Hamburg. Mitgemacht haben bei dieser wichtigen Aktion Priester, Pastoralreferent*innen, Religionslehrer*innen, aber auch Verwaltungsmitarbeiter*innen. Heute Nacht ging das Manifest von #OutInChurch online. Es ziele mit seinen Forderungen unter anderem darauf ab,
– „diffamierende Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zu revidieren“
– „das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität, auch in einer Partnerschaft beziehungsweise Zivilehe, weder zum Ausschluss von Aufgaben und Ämtern noch zur Kündigung führt“
– „dass die Kirche in Riten und Sakramenten sichtbar macht und feiert, dass LGBTIQ+-Personen und -Paare von Gott gesegnet sind“
Das ungekürzte Manifest findet man seit Mitternacht hier: OutInChurch.de/manifest. #OutInChurch wende sich an alle Queers, „die haupt- oder ehrenamtlich in der römisch-katholischen Kirche tätig sind, auf, sich der Initiative anzuschließen. Es sind alle Menschen eingeladen, sich mit der Initiative zu solidarisieren. Die Bischöfe und alle, die in der Kirche Verantwortung tragen, die Kirchengemeinden, Verbände und Ordensgemeinschaften werden aufgefordert, ihre Unterstützung für die Menschen öffentlich zu erklären und das Manifest zu verbreiten.“
Lob und Support kommt unter anderem von dem evangelischen trans Pfarrer Sebastian Wolfrum: „Danke für euren Mut. Kraft für das was jetzt auf euch zukommt. Und Segen in Allem. Walk on!“
Foto: M. Rädel
Kirche
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat „Respekt“ für das öffentliche Outing von dutzenden Mitarbeiter der katholischen Kirche als queer geäußert und Änderungen in seiner Institution angemahnt. „Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein“, erklärte Heße am Montag in Hamburg. Er sei „gerne zum Dialog bereit“ und biete den Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen der Aktion aus seinem Bistum ein Gespräch an. „Wir sind stets zur Authentizität und Transparenz aufgerufen vor Gott und selbstverständlich auch voreinander – davor darf und soll es keine Furcht geben“, hieß es in der vom Hamburger Erzbistum verbreiteten Stellungnahme Heßes. Das Thema werde auch beim sogenannten synodalen Weg behandelt. Die Diskussion dort solle seiner Auffassung nach „zu einer Weiterentwicklung der kirchlichen Sexualmoral und auch des kirchlichen Arbeitsrechts führen“. Er wolle sich daran beteiligen. (AFP)
Am Ende unseres Features (hier auf der Seite ganz unten) gibt es ein Interview zur Vorläuferaktion: #liebegewinnt mit Jens Ehebrecht-Zumsande. Der Queer ist Religionspädagoge, Supervisor DGSv und Autor. Seit 1996 ist er in verschiedenen Aufgabenfeldern im Erzbistum Hamburg tätig. Er war von 2017 bis 2019 Leiter des Strategiebereichs missionarische Kirche und leitet seit 2019 das Grundlagenreferates „Kirche in Beziehung“.
Bundesregierung begrüßt die Aktion und kündigt indirekte Unterstützung an.
Foto: Ina Fassbender / AFP
Marco Buschmann
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte, niemand dürfe wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden. Dem müsse „bei allem Respekt vor dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht insbesondere im verkündungsnahen Bereich“ auch die Kirche „als einer der größten Arbeitgeber in Deutschland Rechnung tragen“. Es müsse mehr Sensibilität für den Schutz sexueller Orientierung und Identität geschaffen werden, fügte der Minister am Montag in Berlin in einer Stellungnahme an. Die Bundesregierung wolle daher den Gleichbehandlungsartikel im Grundgesetz „um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität“ ergänzen.
Foto: Christoph Soeder / AFP
sven lehmann
Sven Lehmann
Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), erklärte, die katholische Kirche sei bislang kein Ort, an dem queere Menschen selbstverständlich zu ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität stehen können. Vor dem „Mut derjenigen, die sich jetzt mit dem eigenen Namen und dem eigenen Gesicht zum ersten Mal für Sichtbarkeit und Akzeptanz queerer Menschen in ihrer Kirche einsetzen“, habe er „den größten Respekt“. Lehmann erkannte an, dass trotz der weiter bestehenden Risiken für ein Outing innerhalb der katholischen Kirche einiges in Bewegung gekommen sei. „Viele Engagierte in Laienorganisationen, aber auch etliche Bischöfe, Priester und Ordensleute zeigen sich längst nicht mehr so verschlossenen wie früher gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.“ Er verstehe „OutInChurch“ als ein ebenso wegweisendes wie hoffnungsvolles Signal.
Opposition drängt auf umfassende Reformen
Von den demokratischen Oppositionsparteien hat sich DIE LINKE in einer Pressemitteilung ihrer queeren Vertreter*innen in Reaktion auf die Pläne der Bundesregierung für eine über den Diskriminierungsschutz hinausreichende Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes ausgesprochen, die sich den Forderungen von OutInChurch.de noch weiter annähert:
„Ja, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss vollständig endlich auch in kirchlich getragenen Einrichtungen gelten. {...} Doch das kirchliche Arbeitsrecht schwächt Beschäftigte insgesamt. {...} Je stärker eine Personalvertretung, desto weniger wird Diskriminierung möglich sein. Deshalb darf es jetzt nicht um halbherzige Lösungen gehen. Das Betriebsverfassungsgesetz muss vielmehr endlich auch für kirchliche Einrichtungen gelten.“
Luca Renner und Daniel Bache, Bundessprecher*innen DIE LINKE.queer