Dieser Anruf kam unerwartet. Noch bevor der Hamburger Senat seinen geplanten Aktionsplan vorstellt, reagieren die Polizeibehörden auf die gewalttätigen homo- und transphoben Vorfälle und erfüllen die Forderungen der LAG Hamburg aus dem Sommer. Britta Kiehn vom polizeilichen Opferschutz im LKA Hamburg erklärt die Neuerungen für queere Opfer.
DIE POLIZEI HAT NEUE ANSPRECHPARTNER FÜR QUEERE BÜRGER DER STADT. WAS IST DAS NEUE DARAN?
So richtig neu sind die polizeilichen Ansprechpartner (und Ansprechpartnerinnen) nicht, denn bereits seit 1996 gab es bei der Polizei Hamburg sogenannte Ansprechpartner für Gewalt gegen Schwule und Lesben. Neu ist zum einen, dass wir mit der (begrifflichen) Einbeziehung von trans-, bi- und intersexuell orientierten Personen den gesellschaftlichen Erwartungen an eine moderne Großstadtpolizei gerecht werden. Zum anderen ist ab sofort gewährleistet, dass die Ansprechpartner/-innen für alle Fragen aus der Queer-Community auf kurzem Weg erreichbar sind. Hierfür konnten wir die vier Kolleginnen und Kollegen mit festen Mobiltelefonen ausstatten. Außerdem steht für Anfragen jeder Art die zentrale E-Mail-Adresse (Ansprechpartner-LSBTI@polizei.hamburg.de) zur Verfügung. Zusätzlich soll die enge Zusammenarbeit mit der Dienststelle Polizeilicher Opferschutz im LKA sicherstellen, dass Opfer ihre Rechte kennen und auch in Anspruch nehmen.
WELCHE KONKRETEN MASSNAHMEN PLANEN SIE, UM MIT DER COMMUNITY IN KONTAKT ZU TRETEN?
Wir bemühen uns um eine proaktive Ausrichtung. Das bedeutet, dass die vier Ansprechpartner/-innen von sich aus Kontakt zu Verbänden, Hilfeeinrichtungen und Beratungsstellen, aber auch zu szenetypischen Lokalen und Cafés aufnehmen werden, um sich und ihre Tätigkeit vorstellen. Damit soll nicht nur ein höherer Bekanntheitsgrad in der LSBT*I-Community, sondern vor allem ein Abbau von möglicherweise bestehender Schwellenangst gegenüber einer Kontaktaufnahme zur Polizei erreicht werden.
Zur beschriebenen Netzwerkpflege gehört auch die erkennbare Präsenz bei Veranstaltungen wie dem CSD und anderen Großveranstaltungen als gesellschaftliche Signalwirkung. Außerdem hoffen wir natürlich, mit Textbeiträgen wie hier unseren Bekanntheitsgrad zu steigern.
Gleichzeitig soll das Thema Hasskriminalität in die Aus- und Fortbildung der Polizei noch stärker mit einfließen, um eine gegebenenfalls bestehende Unsicherheit oder auch Vorurteile abzubauen. Maßgeblich wird hier der persönliche Austausch mit den Beratungsstellen und Verbänden sein. Es geht sozusagen um einen engen Kontakt zur Basis, um aufzuspüren, was die Menschen in den LSBT*I-Communitys bewegt und beschäftigt.
Die notwendige Wissensvermittlung soll in Form von Vorträgen oder Sondervorlesungen an den polizeilichen Ausbildungsstätten zum Tragen kommen.
UND WELCHE MITTEL BEKOMMEN DIE VIER ANSPRECHPARTNER BZW. DIE POLIZEI DAFÜR? BISHER LIEF DAS JA MEHR ODER WENIGER EHRENAMTLICH ...
Glücklicherweise haben diese Kollegen bessere Arbeitsbedingungen als ihre Vorgänger. Nichts gegen das Ehrenamt an sich, aber diese Tätigkeit muss konkret in die polizeiliche Arbeit eingebettet sein. Die Vorgesetzten müssen akzeptieren, dass bis zu zwanzig Prozent der regulären Arbeitszeit für die Kontaktarbeit aufgewendet werden kann. Zusätzlich bieten die Ansprechpartner natürlich auch außerhalb der Dienstzeiten eine direkte telefonische Erreichbarkeit durch ihre dienstlichen Handys.
WELCHE SCHWERPUNKTE SOLL DIE ARBEIT UMFASSEN?
Natürlich möchte die Polizei, dass sich potenzielle Opfer zur Strafanzeigenerstattung entschließen. Wir nehmen an, dass das Dunkelfeld in diesen Deliktsbereichen relativ hoch ist. Um opferorientiert und gerichtsverwertbar arbeiten zu können, ist es notwendig, dass die Polizei von solchen Taten weiß nur so kann Prävention und Opferschutz funktionieren. Die vier Ansprechpartner haben eine ausgeprägte Beratungsfunktion: Sie sollen aufzeigen, was für Möglichkeiten, Ansprüche und Rechte das Opfer hat. Hier soll niemand zur Anzeigenerstattung überredet werden, gleichwohl muss die Polizei handeln, wenn sie konkrete Daten zu Tat und Täter hat. Dies stellt die Beratungsarbeit vor gewisse Herausforderungen, deshalb sind Vorabsprachen in dem Beratungskontakt sinnvoll.
WELCHE MÖGLICHKEITEN HABEN OPFER VON GEWALT, DIE VIELLEICHT NICHT ZUR POLIZEI WOLLEN?
Das ist durchaus nachvollziehbar, das Opfer weiß ja zunächst nicht, was ihn/sie bei der Polizei erwartet. Die Gewalttat kann erhebliche Ängste und einen Kontrollverlust hervorrufen und massiv traumatisch prägen. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass diese Menschen mit ihren seelischen und körperlichen Verletzungen trotzdem gut versorgt werden können. In Hamburg bietet die Rechtsmedizinische Untersuchungsstelle eine kostenlose, anonyme Spurensicherung bei Gewalttaten (auch ohne Anzeigenerstattung bei der Polizei). Der Vorteil besteht darin, dass das Opfer sich zu einem späteren Zeitpunkt zur Anzeigenerstattung entschließen kann und die Beweise für das Tatgeschehen bereits gerichtsverwertbar gesichert sind und nichts verloren geht.
Im Institut für Rechtsmedizin erfolgt gegebenenfalls ergänzend eine psychosoziale Beratung und es besteht die Möglichkeit einer medizinischen Notfallversorgung im Sinne einer HIV-Prophylaxe.
Interview: Christian Knuth
INFO
Folgende Kolleginnen und Kollegen stehen Opfern und Zeugen von Hasskriminalität für Informationen und zur individuellen Beratung und Anzeigenerstattung zur Verfügung:
Eckhard Carrie: 0176 42852847
Corinna Mietz: 0176 42852848
Birgit Oesterreich: 0176 42852846
Tobias Haak: 0176 42852845
Mit ihren dienstlichen Mobiltelefonen gewährleisten sie eine direkte Erreichbarkeit. Außerdem können sich die jeweiligen Betroffenen über die E-Mail-Adresse Ansprechpartner-LSBTI@polizei.hamburg.de melden und darüber einen persönlichen Kontakt herstellen.
Die Adresse für Opfer von Gewalt, die vorerst nicht direkt zur Polizei wollen, aber anonym fachliche Hilfe suchen:
Institut für Rechtsmedizin, Butenfeld 34, Haus N81, Hamburg, 040 741052127 (regulär), 0172 4268090 (NOTFALLNUMMER), www.uke.de/institute.rechtsmedizin
DAS KANNST DU AUCH TUN
Die Landesarbeitsgemeinschaft Lesben und Schwule, ein Zusammenschluss von Hein & Fiete, mhc, Intervention e. V. und LSVD, hat den Gewaltfragebogen um Transphobie erweitert. Auch hinnerk stellt den Bogen dauerhaft zum Download zur Verfügung und bittet eindringlich darum, sich die Zeit zu nehmen und den Bogen auszufüllen. Es zählt nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch der dumme Spruch, die Beleidigung.
Internet: HIER FRAGEBOGEN DOWNLOADEN