Zum wiederholten Mal schafft es Corny Littman, zum CSD einen Höhepunkt zu präsentieren: Am 3. August wird Mariela Castro, die Nichte von Fidel Castro, im Hamburger Schmidt Theater zu Gast sein und über ihre Rolle als Kämpferin für die Rechte Transsexueller, Schwuler und Lesben auf Kuba zu sprechen. Wir befragten Corny zu seinem Verhältnis zu Kuba und wie es zur Begegnung kam. ck
IM LETZTEN JAHR HAST DU MIT LIZT ALFONSO DANCE CUBA ERSTMALIG UND NOCH AUF REIN KULTURELLER EBENE KUBANISCHES FLAIR NACH HAMBURG GEBRACHT. WAS FASZINIERT DICH SO AN KUBA?
Ich habe Kuba und insbesondere Havanna vor über zehn Jahren eher zufällig für mich entdeckt. Vom ersten Augenblick an hat mich die Atmosphäre, haben mich die Menschen und die Stadt fasziniert. Da ist zum einen die Freundlichkeit und auch Lebensfreude der Menschen unter wahrlich schwierigen ökonomischen Bedingungen. Zum anderen die faszinierende Kulturgeschichte des Landes, die sich in Musik und Architektur insbesondere wiederfindet, sichtbar und hörbar ist. Und natürlich die politische Geschichte der kubanischen Revolution, die ganz außergewöhnlich und spannend ist. Ach ja und die schönen Kubaner hätte ich beinah unterschlagen ...
MIT DEM BESUCH VON MARIELA CASTRO SCHAFFST DU ES IN DIESEM JAHR, DREISSIG JAHRE NACH DEM ERSTEN CSD IN DER HANSESTADT UND DEINER LEGENDÄREN SPIEGELAKTION GEGEN DIE ÜBERWACHUNG SCHWULER, WIEDER EINEN POLITISCH KONTROVERSEN HÖHEPUNKT ZU SETZEN. WIE KAM ES ZU DER IDEE, DIE NICHTE VON FIDEL CASTRO EINZULADEN? WIE KAM ES ÜBERHAUPT DAZU, DASS DU KONTAKT IN SO HOHE KREISE DER KUBANISCHEN POLITIK KNÜPFEN KONNTEST?
Ich habe Mariela über einen befreundeten Anwalt vor gut zwei Jahren das erste Mal getroffen. Sie ist ja nicht nur die Tochter des Staatspräsidenten und Nichte von Fidel, sondern zuallererst Präsidentin von CENESEX, einer Organisation, die sich wissenschaftlich mit Sexualität beschäftigt und sich für die Rechte der Schwulen, Lesben und Transgender auf der gesetzgebenden Ebene sehr erfolgreich einsetzt. Ich habe sie aus mehreren Gründen eingeladen: Zum einen ist sie und ihre Geschichte in einem immer noch von Machismo geprägten Land ungeheuer spannend. Zum andern hat sie auch ein großes Interesse, Deutschland und die Aktivitäten hierzulande kennenzulernen. Es ist also für beide Seiten eine spannende Begegnung.
MARIELA CASTRO WIRD GERNE ALS REBELLIN DER FAMILIE CASTRO BEZEICHNET. DASS SIE WICHTIGE GESELLSCHAFTSPOLITISCHE FUNKTIONEN GERADE FÜR HOMO- UND TRANSSEXUELLE EINNIMMT, MACHT SIE ZU EINER ÄUSSERST SPANNENDEN PERSÖNLICHKEIT ANTIKOMMUNISTISCHE RESSENTIMENTS KONSERVATIVER KREISE EINMAL HINTANGESTELLT. WAS IST DIE BEEINDRUCKENDSTE EIGENSCHAFT VON FRAU CASTRO ?
Mariela ist eine ungemein sympathische und charismatische Persönlichkeit. Man hat das Gefühl, sie gewinnt alle Sympathien durch ihren Charme und ihre sehr ruhige, sachliche Argumentation. Einfach eine tolle Frau!
SIEHST DU ES ALS PROBLEM AN, DASS AUF KUBA IM PRINZIP IMMER NOCH EIN SOZIALISTISCHES REGIME DIE MACHT AUSÜBT, AUCH WENN MARIELA CASTRO VON EINER TEILHABENDEN, SOZIALISTISCHEN DEMOKRATIE SPRICHT? WIE STEHST DU SELBST ZU DIESER STAATSFORM UND DEN REFORMEN IHRES VATERS RAÚL? WIE SCHÄTZT DU DIE VERHÄLTNISSE AUF KUBA NACH DEINEN ZAHLREICHEN BESUCHEN SELBER EIN?
Es ist ein Leichtes, aus unserer westlichen Sicht das sozialistische Kuba als Militärstaat oder wie auch immer zu kritisieren. Das wird weder Kuba noch seinen Repräsentanten noch seiner Geschichte gerecht. Die Kubaner sind einen sehr eigenen Weg gegangen, und im Vordergrund stand immer die Wahrung ihrer Autonomie. Und die haben sie sich über die letzten Jahrzehnte auch trickreich bewahrt. Im Moment fragen sich alle, wie es weitergeht, wenn die alte Garde einmal abdankt. Mit ziemlicher Sicherheit werden die Amerikaner das Land nicht mal so eben übernehmen können und wollen, Kuba wird auch in Zukunft seinen eigenen Weg gehen. Und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass unter dem jetzigen Staatspräsidenten einschneidende Veränderungen vorgenommen werden. Davon abgesehen ist Kuba ein wunderschönes Reiseland und zudem im Vergleich zu anderen karibischen Staaten ein für Ausländer sehr sicheres Reiseland. Nicht zuletzt durch die allgegenwärtige Polizei.
WIE STELLT SICH DIE SITUATION SCHWULER UND LESBEN AUF KUBA DAR? GIBT ES EINEN CSD? GIBT ES EINE LEBENDIGE UND OFFENE SCHWULE SZENE?
In der Hauptstadt Havanna gibt es eine sehr lebendige Schwulen-, Lesben- und Transenszene, regelmäßige, fast tägliche Tanzveranstaltungen an wechselnden Orten und einen öffentlichen Treffpunkt an der Uferstraße Malecón. Aber: Es gibt keine einzige schwule Kneipe. Das spiegelt auch die Situation der Schwulen und Lesben wider. Offiziell legalisiert, aber tatsächlich gerade mal geduldet und kontrolliert. Im übrigen nicht nur von staatlicher Seite, auch in vielen Familien haben die Schwulen es schwer, akzeptiert zu werden, der Machismo ist in der kubanischen Gesellschaft immer noch tief verwurzelt. Ein CSD ist unter diesen Bedingungen immer noch undenkbar, dafür gibts in jeder Stadt alljährlich einen Karneval, wo sich auch die Schwulen austoben. Die Lage auf dem Land, außerhalb der Städte, ist durchaus mit dem tiefsten bayrischen Wald vergleichbar. Im Unterschied dazu sind die meisten kubanischen Männer aber durchaus auf gleichgeschlechtlichen Sex ansprechbar, prüde sind sie alle nicht.
WAS ERHOFFST DU DIR DURCH DEN DIALOG MIT FRAU CASTRO HIER IN DEUTSCHLAND UND VON DER VERANSTALTUNG IM SCHMIDT THEATER?
Ich erhoffe mir von dem Besuch von Mariela und der Veranstaltung im Schmidt-Theater am 3.8., dass dies der Beginn eines Dialogs ist, der uns kubanische Sichtweisen näherbringt und auf der anderen Seite ihr die Möglichkeit gibt, unsere Szene und Aktivitäten kennenzulernen und davon auch etwas mitnehmen zu können. Das ist eine kleine Pflanze, und die braucht sicher einige Zeit zum Erblühen.
3.8., MARIELA CASTRO , SCHMIDT THEATER, 20 UHR, SPIELBUDENPLATZ 2428, U3 ST. PAULI
STECKBRIEF MARIELA CASTRO
1962 in Havanna als Tochter des amtierenden Staats- und Regierungschefs Kubas Raúl Castro und seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau Vilma geboren, ist Mariela Castro heute eine der einflussreichsten Persönlichkeiten Kubas, wenn es um den Kampf gegen Aids und für Frauen-, Schwulen- und die Rechte Transsexueller geht. Sie ist Initiatorin des 2005 gestarteten Projekts, das geschlechtsangleichende Operationen in die staatliche Heilfürsorge aufnimmt und eine rechtliche Änderung des Geschlechtes möglich gemacht hat. Mariela Castro ist Direktorin des Nationalen Zentrums für sexuelle Aufklärung (CENESEX), Präsidentin des Multidisziplinären Zentrums für Sexualstudien Kubas, Präsidentin der Nationalen Kommission für die Verfolgung der Störung der geschlechtlichen Identität, Mitglied der Aktionsgruppe zur Vorbeugung, Konfrontierung und Bekämpfung von Aids, Exekutivmitglied der World Association for Sexual Health und seit dem Tod ihrer Mutter amtierende Präsidentin der der kubanischen Frauenorganisation. Außerdem veröffentlichte sie 13 wissenschaftliche Artikel und neun Bücher und ist Herausgeberin des Magazins Sexología y Sociedad (Sexologie und Gesellschaft). Sie ist in zweiter Ehe verheiratet und hat insgesamt drei Kinder. ck
Quelle: wikipedia.de
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