Seit der Koalitionsvertrag der Ampel vorgestellt und damit die „gesellschaftspolitische Zeitenwende“ ausgerufen wurde, ist eine angespannte Erwartungshaltung zu spüren. Wenn sich drei einig sind, was kann dann schiefgehen, denken die einen und meckern die Netzwerke voll. Anderen dagegen, allen voran überraschenderweise dem Ministerpräsidenten von Bayern, sind schon die auf den Weg gebrachten Gesetzesvorlagen der Bundesregierung ein lockeres „das Abendland geht unter“ wert.
Wir haben uns die politischen Forderungen von Hamburg Pride vorgenommen und sie mit dem zu Beginn Sommmerpause des Bundestages vorliegendem Stand der Dinge abgeglichen.
➡️ Weitere neun Forderungen im Ampel-Check in der Pride-Ausgabe des hinnerk unter epaper.männer.media überall in Hamburg, Bremen und Hannover und HIER online auf männer*
9. Wir fordern vom Hamburger Senat die kontinuierliche Umsetzung der im Aktionsplan zur Bekämpfung von Homo-, Bi- und Trans*phobie aufgeführten Maßnahmen.
Es wird aktuell an einer Weiterentwicklung des Aktionsplans gearbeitet.
10. Wir fordern ausreichend Maßnahmen, um LGBTIQ+ vor Hass und Gewalt zu schützen und damit verbunden mehr Maßnahmen zur Bekämpfung von Homo-, Bi- und Trans*feindlichkeit.
Ankündigungen gab es einige, sowohl in der Innenministerkonferenz der Länder, als auch aus dem Innenministerium und dem Justizministerium. Konkret vorliegen tut allerdings weder ein Gesetzesentwurf, noch nichteinmal die angekündigte Expertenkommission ist eingesetzt, wie LSVD-Vorstand Alfonso Pantisano erst kürzlich anmerkte. Sie soll aber bereits im Herbst Ergebnisse liefern.
11. Wir fordern den Hamburger Senat auf, die Mittel für die HIV-Prävention und der sie tragenden Projekte endlich den tatsächlichen Erfordernissen und den neuesten medizinischen Entwicklungen anzupassen.
Keine politischen Aktivitäten gefunden.
12. Wir fordern, die Mitwirkung von älteren LGBTIQ+ in der politischen Interessenvertretung von Senior*innen sicher- zustellen, ihren besonderen Bedürfnissen in Betreuung und Pflege Rechnung zu tragen sowie spezielle Wohnformen für ältere LGBTIQ+ zu fördern.
Dem NDR ist es wohl zu verdanken, dass dieses Thema überhaupt wieder eine größeren Aufmerksamkeit erhält. Auch die hinnerk Redaktion musste im Zuge einer Interviewanfrage für das Magazin „Das!“ einige Jahre zurückblättern, um Stichhaltiges dazu zu finden. Und das war – und ist es auch jetzt noch – rein privat organisiert. Im neuen Aktionsplan soll das Thema allerdings Beachtung finden.
13. Wir fordern einen gendersensiblen Umgang mit Sprache, welcher die geschlechtliche Vielfalt von Menschen berücksichtigt und sichtbar macht.
2021 wurden die 1995 erlassenen Grundsätze zur Verwaltungssprache überarbeitet. Neben der eh schon grund- gesetzlich vorgeschriebenen dritten Geschlechtsoption in Anschreiben und Formularen, ist auch die Nutzung von Genderstern und Doppelpunkt erlaubt.
Foto: DAVID GANNON / AFP
14. Wir fordern eine menschenwürdige Behandlung und Unterbringung von LGBTIQ+ Geflüchteten in Hamburg sowie eine bedarfsgerechte Finanzierung von Beratungs-, Wohn- und Hilfsangeboten.
Auch hier sieht der neue Aktionsplan neue Maßnahmen vor.
15. Wir fordern den Hamburger Senat auf, die Mittel der Jugendarbeit für LGBTIQ+ stetig den tatsächlichen Erfordernissen anzupassen.
Der Landesförderplan „Familie und Jugend“ 2023-2027 aus dem vergangenen Jahr stellt Förderungen für die queere Jugendarbeit bereit. Eine Erweiterung ist nicht erkennbar.
16. Wir fordern die aktive Förderung der Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der Geschichte von LGBTIQ+, insbesondere der Homosexuellen-Verfolgung, durch Stadt, Land und Bund.
Weder das mit viel Szeneherzblut geplante Denkmal für die Homosexuellenbewegung steht, noch gibt es auf Bundes- oder Landesebene erkennbare Aktivitäten wie z. B. eine Stärkung der Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld.
17. Wir fordern eine stärkere und vielfältigere Repräsentation queerer Lebensweisen in den Medien.
Keine Wertung, bzw. siehe 18.
Foto: Roman Holst / instagram.roman_holst
➡️ Was haben das ZDF, Radio Bremen und der MDR, was der NDR nicht hat? Eine diversifizierte Aufstellung ihrer Kontrollgremien, dem jeweiligen Rundfunk- bzw. Fernsehrat. Inklusive Vertreter*innen, die die Communitys der LGBTIQ* (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender/Transsexuelle, Intersexuelle) repräsentieren und vertreten. Warum der NDR dies trotz aktueller Novellierung des Staatsvertrages zwischen Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und eines entsprechenden Grundsatzurteils des Bundesverfassungsgerichts nicht hat, ist Gegenstand der Titelstory Muslime und Gedöns aus hinnerk 04/2021.
18. Wir fordern die Berücksichtigung der LGBTIQ+-Community bei der Besetzung des NDR-Rundfunkrates sowie in der Arbeit des Medienrats der Landesmedienanstalt Hamburg und Schleswig-Holstein.
Nach der hinnerk Recherche zur Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages für den NDR, wurde immerhin Schadensbegrenzung in Form einer Willenserklärung der Bürgerschaft für Umsetzung in unbekannter Zukunft lanciert. Gescheitert war das Vorhaben übrigens an den Nachbarn aus Niedersachsen und besonders Mecklenburg-Vorpommern. Um des lieben Friedens Willen ... Ja, so hieß es wohl. Und um dessen Willen weiter zu bemühen, verzichten wir auf weitere Details und Namen in diesem Fall und leiten wir fix zur Endauswertung über.
FAZIT: Eine Ampel mit Rot, Gelb und Grün. Passt soweit. Erstmal. Wir schauen spätestens zur Halbzeit des Ampelprojektes in Berlin noch einmal genau hin. *Christian Knuth
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Bewertungsmaßstab
Rot: Keine erkennbare Umsetzungsbemühungen
Gelb: Offizielle Aussagen zu Gesetzgebungsvorhaben durch Mitglieder der Bundesregierung/des Senats
Grün: Gesetzgebungsverfahren läuft oder ist abgeschlossen