Ampelrückblick: Da fehlt noch was
Gestartet als – vor allem im gesellschaftspolitischen Feld – Fortschrittskoalition, versprachen die Ampelparteien nichts Geringeres als einen „queerpolitischen Aufbruch”. Neben historischen Bildern von Regenbogenflaggen am Kanzleramt und am Reichstagsgebäude zu den Christopher Street Days erzielten SPD, Grüne und FDP auch wichtige Erfolge wie das Selbstbestimmungsgesetz und den Aktionsplan „Queeres Leben”. Auch stellten sie den Kampf gegen queerfeindliche Hasskriminalität völlig neu auf und verschärften dessen Ahndung deutlich. Aber viele der großen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag blieben unerfüllt. Besonders in Bereichen wie der Modernisierung des Familienrechts und dem Schutz vor Diskriminierung besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf.
Ampelgrafik: Das wollen die Parteien liefern
Wie positionieren sich die Parteien nun – kurz vor der Bundestagswahl – zu den drängenden Fragen der Queerpolitik? Welche Konzepte haben sie zur Verbesserung der Rechte von LGBTIQ* angesichts der immer hemmungsloseren Anfeindungen, die von Rechtsradikalen und religiösen Fundamentalisten ausgehen?
Wir haben die im Bundestag vertretenen Parteien sowie das BSW zu acht Vorhaben und Forderungen befragt.
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In die Tabelle sind die Antworten von SPD1, FDP2 & BSW3 eingeflossen. Bündnis90/Grüne und DIE LINKE wollten bis Redaktionsschluss am 6. Dezember antworten, haben dies aber nicht bzw. teilweise nicht getan.Union (CDU/CSU) und AfD reagierten überhaupt nicht auf die Anfrage. Für diese Parteien stammen die Ergebnisse aus Recherchen in Partei- und Wahlprogrammen, Beschlüssen und wiederholten Wortmeldungen. Den Farben der Ampel sind folgende Wertungen zugeordnet:
Grün = Zustimmung bzw. weitergehende Pläne
Gelb = Eingeschränkte Zustimmung
Rot = Ablehnung
Schwarz = Keine Antwort / Keine Position
ERLÄUTERUNGEN
Grundgesetzänderung Art. 3 Abs. 3:
FDP, Grüne, Linke und SPD sprechen sich deutlich für die Ergänzung von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes um die Merkmale „sexuelle Orientierung” und „geschlechtliche Identität” aus. Das BSW will explizit nur die Erweiterung um das Merkmal der sexuellen Identität, fordert aber im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes für LGBTIQ*, was auf Zustimmung zur Aufnahme beider Merkmale schließen lässt. Die CDU positioniert sich nicht eindeutig. Die AfD lehnt die Aufnahme der Merkmale ab und propagiert die „Realität der Zweigeschlechtlichkeit”.
Mehrelternschaft:
Familienmodelle mit mehr als zwei gleichberechtigten Elternteilen werden von BSW, FDP, Grünen und Linken befürwortet. Die SPD spricht von der Unterstützung „moderner Familienmodelle” und „Familien mit mehreren gleichberechtigten Bezugspersonen”. Die CDU und AfD lehnen Mehrelternschaft ab und bekräftigen das traditionelle Familienmodell.
Gleichbehandlung lesbischer Ehepaare im Abstammungsrecht:
FDP, Grüne, Linke und SPD wollen, dass lesbische Paare im Abstammungsrecht gleichgestellt werden. Das BSW fordert die „Beendigung der Ungleichbehandlung” und unterstützt die Gleichstellung ebenfalls. CDU und AfD sprechen von der Ehe als Verbindung „zweier Menschen” bzw. betonen die „Zweigeschlechtlichkeit” und lehnen die Gleichstellung ab.
Verantwortungsgemeinschaft:
Die Möglichkeit einer rechtlich anerkannten Verantwortungsgemeinschaft für zwei oder mehr Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, wird von BSW, FDP, Grünen und Linken befürwortet. Die SPD erwähnt die „Einführung von Verantwortungsgemeinschaften” und die „Stärkung der rechtlichen Anerkennung von Regenbogenfamilien”, was auf Zustimmung schließen lässt. Die CDU äußert sich in den Quellen nicht explizit dazu, bekennt sich aber zur „Vielfalt” von Familien, was eine moderate Position vermuten lässt. Die AfD schweigt zu diesem Thema, positioniert sich aber allgemein gegen die Erweiterung von Familienmodellen jenseits der Ehe.
Leihmutterschaft:
Die FDP befürwortet die Legalisierung einer altruistischen Leihmutterschaft. Grüne, DIE LINKE und SPD sind skeptisch. CDU und AfD lehnen Leihmutterschaft ab.
Zugang zu reproduktiver Medizin:
FDP, Grüne, Linke, BSW und SPD befürworten einen diskriminierungsfreien Zugang zu reproduktiver Medizin für alle Menschen. Die CDU unterstützt die derzeitige Regelung, bei der die Krankenkassen die Kosten nur für verheiratete Paare teilweise übernehmen. Die AfD hat bisher keine programmatischen Aussagen dazu getroffen, wird aber analog zu ihrem Familien- und Ehebild eher ablehnend eingeschätzt.
Demokratieförderung für queere Projekte:
Grüne, Linke, FDP und SPD unterstützen die Förderung queerer Projekte im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!”. Das BSW kritisiert den „monopolisierten Anspruch auf Deutungshoheit” und fordert die Priorisierung der Unterstützung bestehender Community-Strukturen. Die CDU äußert sich in den Quellen nicht zu diesem Thema. Die AfD lehnt die Förderung von LGBTIQ*-Initiativen ab und kritisiert „ideologische Umerziehung”.
Asyl für verfolgte Queers:
FDP, Grüne, Linke und SPD fordern ein sicheres Asylrecht für verfolgte LGBTIQ*. Das BSW setzt sich für eine „sichere Unterbringung in queerfreundlichen Unterkünften” und eine „schnelle Erstregistrierung” ein. Die CDU äußert sich nicht explizit zu LGBTIQ*-Geflüchteten, fordert aber wie die AfD eine restriktivere Asylpolitik im Allgemeinen.