Erst 2017 wurde im Bundestag beschlossen, dass „bestehende Strafdrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt“. In Algerien, Marokko und Tunesien wird Homosexualität mit hohen Gefängnisstrafen bedroht. Trotzdem sollen sie sicher sein.
Am Freitag, den 18. Januar will der Bundestag das nächste Mal darüber abstimmen, Algerien, Marokko und Tunesien als sogenannte „Sichere Herkunftsländer“ auszuweisen. Mehrere Anläufe dazu waren bereits 2016 (blu berichtete) und zuletzt im September vergangenen Jahres im Bundesrat am Widerstand der Grünen gescheitert. Der LSVD machte jetzt darauf aufmerksam, dass jenseits aller bereits benannten Probleme für die Opfer der Verfolgung und ihrem Versuch dieser durch Flucht zu entkommen, ein grundsätzlich moralischer Dissens unserer Legislative droht:
„Der Deutsche Bundestag hat einstimmig betont, dass die früher in Deutschland „bestehende Strafdrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt“ hat. Erst 2017 haben Bundestag und Bundesrat die Rehabilitierung der in Deutschland wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen beschlossen. Es ist völlig unverständlich, wie nur kurze Zeit später der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu den „sicheren Herkunftsländern“ die gleiche Situation in anderen Ländern total bagatellisiert. In den Maghreb-Staaten besteht eine Strafdrohung wie früher in Deutschland. Arabische Lesben und Schwule haben gleiche Menschenwürde wie deutsche!“
Marion Lüttig, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD)
Der LSVD sendet darum einen Appell an alle Bundestagsabgeordneten der Parteien gerichtet, die 2017 die Rehabilitierung der in Deutschland strafrechtlich verfolgten Homosexuellen unterstützt haben und mahnt:
Wer die Hand dafür hebe, solche Staaten zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu erklären, der bewirke,
- dass die Unterdrücker, Verfolger und Folterer sich in ihrem verbrecherischen Tun bestätigt fühlen können,
- dass die internationalen Bemühungen zur Entkriminalisierung von Homosexualität massiv zurückgeworfen und Menschenrechtverteidigerinnen und -verteidiger vor Ort im Stich gelassen werden,
- dass die Chancen auf Schutz und Asyl für Menschen, die vor brutaler Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität fliehen müssen, noch weiter minimiert werden.
Foto: Ongayo / CC BY-SA 4.0, /w/index.php?curid=4824689
Grenze Spanien-Marokko, bei Melilla
Die Grenze Spanien-Marokko, bei Melilla. Ein Schwuler, der in Marokko verfolgt und misshandelt wurde, muss diese Zäune überklettern oder den Weg über das Mittelmeer wählen, um nach Europa zu gelangen. Schafft er es nach Deutschland, würde die Einstufung Marokkos als „Sicheres Herkunftsland“ die Erfolgsaussichten seines Asylantrages massiv erschweren. Foto: Ongayo - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link