Erst in den aktuellen Ausgaben unserer Printmagazine sprachen wir mit HIV-Aktivist Siegfried Schwarze über sie: Die neue und mutmaßlich letzte Hoffnung, die die mRNA-Technologie für die Suche nach einem Impfstoff gegen HIV bedeutet. Jetzt startete in den USA eine erste Studie am Menschen.
In den USA ist der Test eines Aids-Impfstoffes auf Grundlage der mRNA-Technologie an Menschen angelaufen. In der sogenannten Phase eins sei der Impfstoff 56 gesunden, HIV-negativen Menschen verabreicht worden, teilten das US-Biotechnologie-Unternehmen Moderna und die Organisation International Aids Vaccine Initiative am Donnerstag mit.
Die lange und erfolglose Suche nach einem Impfstoff
Trotz jahrzehntelanger Forschung ist es Wissenschaftlern bislang nicht gelungen, einen Wirkstoff gegen die Krankheit zu entwickeln, an der jedes Jahr tausende Menschen sterben. Die jüngsten Erfolge mit der mRNA-Technologie, durch die in Rekordzeit Impfstoffe gegen das Coronavirus entwickelt werden konnten – unter anderem auch von Moderna – , haben jedoch Hoffnungen geweckt.
Foto: C. Knuth
„Man man muss ganz ehrlich sagen, dass uns so langsam die Ideen ausgehen, wie ein Impfstoff gegen HIV aussehen könnte.“
Siegfried Schwarze im ausführlichen Interview Genschere, mRNA und Wirkstoffdepots: Paradigmenwechsel in der HIV-Therapie. Im Gespräch erklärt der umtriebige Herausgeber des Vereinsmagazins Projekt Information auch genauer, was Moderna vor hat:
„Die Konzepte, die jetzt mit mRNA verfolgt werden, die waren tatsächlich schon länger in der Pipeline. Dass die jetzt so „aufploppen“, wie du sagtest, liegt hauptsächlich daran, dass die mRNA-Forschung natürlich durch Corona dramatisch beschleunigt wurde. Darum, Antikörper zu produzieren, die ganz wenige Menschen natürlicherweise produzieren. Die sogenannten „Elite Controller“. Von dieser Gruppe von HIV-Positiven kann ein ganz kleiner Prozentsatz HIV in Schach halten, weil sie spezielle Antikörper bilden. Der Trick mit den mRNA-Impfstoffen ist, praktisch nicht einen Impfstoff zu geben, sondern verschiedene Impfstoffe hintereinander. Die sollen das Immunsystem langsam in die Richtung dirigieren, bis es dann tatsächlich diese breiten, neutralisierenden Antikörper bilden kann. In einer Weise, wie es natürlicherweise nicht geschehen würde.“
Über Schwarzes Einschätzung, wie realistisch das ist und welche bahnbrechenden Erfolge die Forschung gegen HIV und Aids schon gesichert vorweisen kann, ist im Interview HIER zu lesen.
Der getestete Impfstoff soll die Produktion eines bestimmten Antikörpertyps (bnAb) anregen, der gegen die sehr zahlreichen Varianten des HI-Virus wirkt, das aidsdefinierende Krankheiten auslöst.
„Die Produktion von bnAbs gilt allgemein als Ziel der Impfung gegen HIV, und es handelt sich um einen ersten Schritt in diesem Prozess“,
hieß es in der Mitteilung.
Impfung und Heilung als letzte Barrieren der HIV-Pandemie
Die Forschung hat im Kampf gegen das HI-Virus in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Eine Heilung ist dennoch bisher nur mit riskanten Methoden und in wenigen Fällen gelungen. Auch hier könnte die Gentechnik den Durchbruch bringen, wie Siegfried Schwarze erklärt:
„Der eine Ansatz besteht darin, den Rezeptor, den HIV zum Eindringen in die Zelle benutzt, mit gentechnologischen Methoden sozusagen zu zerstören. Das war im Prinzip das, womit Timothy Brown geheilt wurde. Bei ihm wurde es durch eine Stammzelltransplantation gemacht, die für eine breite Anwendung unter anderem nicht anwendbar ist, weil sie einfach zu riskant ist. Die Idee ist, diesen Rezeptor nicht dadurch wegzubekommen, dass man dem Menschen ein komplett neues Immunsystem verpasst, sondern gezielt diesen Rezeptor auszuschalten. Der anderer Ansatz ist die berühmte Genschere. Also der Versuch, HIV per Enzym aus infizierten Zellen herauszuschneiden. Dieser Ansatz wird von mehreren Forscher*innen mit unterschiedlichen genetischen Werkzeugen verfolgt.“
Während aber antiretrovirale Medikamente Infizierten ein weitgehend normales Leben erlauben, bieten regelmäßig eingenommene PrEP-Medikamente einen sehr guten Infektionsschutz. Einen wirksamen Impfstoff gibt es aber bis heute nicht. Dieser wäre insbesondere für ärmere Länder mit einem schlechten Zugang zu Medikamenten wichtig. *AFP/ck