Im Gespräch mit Manfred Rekowski – dem Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, die Trauungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht.

Foto: Eric Lichtenscheidt, www.lichtens
Manfred Rekowski
19.10.2015, Düsseldorf: Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) Manfred Rekowski
Dass Manfred Rekowski einmal höchster Repräsentant der zweitgrößten EKD-Gliedkirche werden würde, war dem am 11. Februar 1958 in Polen geborenen Wahl-Wuppertaler nicht in die Wiege gelegt: „Wahrscheinlicher war damals, dass ich Landwirt in den Weiten Masurens werde“, sagt Manfred Rekowski. Aber als der Junge fünf Jahre alt war, verließ seine Familie ihren Bauernhof und siedelte in die Bundesrepublik über. Erste Stationen dort waren Gladbeck und Honrath im Rhein-Sieg-Kreis. Rekowsky studierte in Bethel, Marburg, Bochum und Wuppertal Evangelische Theologie. 1982 begann er das Vikariat und trat 1986 seine erste Pfarrstelle in der Gemeinde Wichlinghausen an. 1993 wurde er zum Superintendenten des Kirchenkreises Barmen, 2005 zum Superintendenten des Kirchenkreises Wuppertal gewählt. Die Landessynode berief ihn 2011 als Oberkirchenrat in die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland und wählte ihn im Januar 2013 zum Präses. Mit ihm sprach Bruder Franziskus Aaron vom Berliner Rogate-Kloster.
IHRE LANDESKIRCHE HAT TRAUUNGSGOTTESDIENSTE FÜR GLEICHGESCHLECHTLICHE PAARE ERMÖGLICHT. WARUM?
Nach evangelischem Verständnis ist die Ehe ein „weltlich Stand“, so Martin Luther. Sie – und entsprechend die Lebenspartnerschaft – wird vor dem Standesamt geschlossen und nicht vor dem Altar. Die evangelische Trauung ist daher „ein Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung, in dem die eheliche Gemeinschaft unter Gottes Wort und Segen gestellt wird. Dabei bekennen die Eheleute, dass sie einander aus Gottes Hand annehmen, und versprechen, ihr Leben lang in Treue beieinander zu bleiben und sich gegenseitig immer wieder zu vergeben.“ So sagt es die Kirchenordnung der Evangelischen Kirche im Rheinland, deren Artikel seit dem Frühjahr 2016 auch auf Eingetragene Lebenspartnerschaften Anwendung finden. Mit dieser Gleichstellung reagieren wir auf Veränderungen im Zivilrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften. Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft hat der Gesetzgeber im Jahr 2001 eine Regelung für gleichgeschlechtliche Partnerinnen und Partner geschaffen, die gleiche Rechtsfolgen wie eine Ehe mit sich bringt, derzeit u. a. ausgenommen noch das Adoptionsrecht. Maßgeblich für diese Entwicklung ist der Gleichheitsgrundsatz gewesen sowie die Einsicht, dass der besondere Schutz der Ehe keine Benachteiligung anderer Lebensformen erfordert.
WELCHE ERFAHRUNGEN HABEN SIE IN DEN DISKUSSIONEN UM DIE GLEICHSTELLUNG VON LESBEN UND SCHWULEN GEMACHT, UND WIE SOLL ES NUN WEITERGEHEN?
Wie gesagt: Das kirchenleitende Gremium, die Landessynode, hat den Beschluss, gleichgeschlechtliche Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft bei der Trauung gleichzustellen, mit überzeugender Mehrheit gefasst. Dem voraus ging die Möglichkeit einer sogenannten Gottesdienstlichen Begleitung für gleichgeschlechtlich Liebende, die die rheinische Synode schon im Jahr 2000 eröffnet hat – noch bevor der Gesetzgeber eingetragene Lebenspartnerschaften möglich machte. Nach dem heute gültigen Beschluss können Pfarrerinnen und Pfarrer die Trauung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerinnen und -partnern aus Gewissensgründen ablehnen. Haben Presbyterien vor 16 Jahren die Durchführung Gottesdienstlicher Begleitungen von Lebenspartnern abgelehnt, können sie diesen Beschluss aufrechterhalten. In beiden Fällen ist die Gemeindeleitung aber verpflichtet, mithilfe der Superintendentin oder des Superintendenten dafür zu sorgen, dass die Trauung des Paares in einer anderen Kirchengemeinde stattfindet. Mit diesen Regelungen trägt die Synode dem unterschiedlichen Bibelverständnis zum Thema Homosexualität Rechnung.
WAS MUSS EIN LESBISCHES ODER SCHWULES PAAR TUN, WENN ES SICH IN IHRER LANDESKIRCHE TRAUEN LASSEN WILL? WIE IST DER WEG?
Wer nicht nur standesamtlich heiraten beziehungsweise die Lebenspartnerschaft eintragen lassen will, sondern anschließend eine kirchliche Trauung wünscht, nimmt Kontakt mit der Pfarrerin beziehungsweise dem Pfarrer seiner Ortsgemeinde auf.
KANN JEDES GLEICHGESCHLECHTLICHE PAAR DEN SEGEN DER KIRCHE ERBITTEN ODER MÜSSEN BEIDE EVANGELISCHE CHRISTEN SEIN?
Voraussetzung für jede kirchliche Trauung ist, dass mindestens eine Partnerin beziehungsweise ein Partner Mitglied der evangelischen Kirche ist.
SEIT EINIGER ZEIT ERLEBEN WIR IN DER BUNDESREPUBLIK EINE ZUNEHMENDE SPALTUNG DER GESELLSCHAFT UND ZUNEHMENDEN POPULISMUS, DIE SICH AUCH IN WAHLERFOLGEN DER AFD SPIEGELN. WAS IST DIE AUFGABE DER KIRCHE IN DIESER ZEIT UND WIE REAGIEREN DIE LANDESKIRCHEN DARAUF?
Um es mit den Worten des einstigen Bundespräsidenten Johannes Rau aus der rheinischen Kirche zu sagen: „Versöhnen statt spalten!“ Und ein kompromissloses Einstehen für gelebte Nächstenliebe sowie für Errungenschaften und Werte wie Demokratie und Menschenrechte. Dabei ist mir der Einsatz für Menschen, die um ihr Leben fürchten und Schutz in Deutschland suchen, besonders wichtig. Wer die Menschenwürde von Flüchtlingen missachtet oder Menschen anderer Religionen nicht die Religionsfreiheit zubilligt, wie das einige Vertreter der AfD tun, der spielt mit dem Feuer und gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dem werden wir massiv entgegentreten.
DIE POLITISCHEN ENTWICKLUNGEN BEISPIELSWEISE IN POLEN, UNGARN UND IN DER TÜRKEI SIND BEUNRUHIGEND. DER BREXIT, NATIONALISTISCHE TENDENZEN IN VIELEN LÄNDERN … WAS WIRD AUS EUROPA?
Europa ist die Reaktion auf zwei Weltkriege, ein Friedensprojekt, eine Wertegemeinschaft. Die Kirchen in den Ländern Europas haben längst Netzwerke gebildet, die abseits der politischen Bündnisse halten, mit oder ohne Brexit. Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) als ökumenische Organisation der orthodoxen, anglikanischen, altkatholischen und evangelischen Kirchen beispielsweise wurde zu Zeiten des Kalten Krieges gegründet. Eine kleine Schar kirchenleitender Menschen machte sich damals dafür stark, die Kirchen in den verschiedenen europäischen Ländern mit ihren unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen miteinander ins Gespräch zu bringen. Ihr Ziel war es, den Kirchen Europas zu helfen, eine Vermittlerrolle für Frieden und Verständigung zu übernehmen. Dieses Ziel verfolgen die Kirchen bis heute. Sie tun auf ihrem Terrain viel dafür, das Friedensprojekt Europa zu stärken.
•Interview: Br. Franziskus Aaron RGSM
Rogate-Kloster Sankt Michael zu Berlin, An der Apostelkirche 1, BruderFranziskus@Rogatekloster.de, Rogatekloster.de, Twitter.com/RogateKloster, Facebook.com/RogateKloster