
Foto: © Coriander Pinxit by Martin Arz, München 2025
Utopia
Der Münchner Künstler Coriander Pinxit veröffentlicht im Frühling sein neues Buchprojekt, den Nachfolger von „Villa Lagunta“ von 2023 (wir berichteten). Die (queere) Bildsprache des 19. Jahrhunderts, ein Bildband, der ausschließlich in limitierter und signierter Auflage erscheint.
Schriftlich verrät er über die Entstehung des Buches Folgendes: „2023 veröffentlichte ich das Art-Book-Project Villa Lagunta, mit zahlreichen Bildern die ich bei einem Hofflohmarkt im Münchner Glockenbachviertel in einer alten Blechdose gefunden hatte. Die Villa Lagunta im Voralpenland gehörte einem exklusiven Herrenklub. In den heiligen Hallen des Klubs trafen sich Intellektuelle, Musiker, Künstler, Komponisten, Dichter, Adelige, Forscher, Freigeister und Freidenker, vereint in ihrem Streben nach Unkonventionellem, nach Exotik und neuen Ideen. Häufig luden sie Burschen und junge Männer aus dem nächsten Ort zu sich ein. Meist gut aussehende Kerle, die für ein bisschen Handgeld für Aktzeichnungen Modell standen oder beim Nachstellen klassischer Akte für Fotos posierten.“ So die Legende. Und die wird nun fortgeschrieben, denn:
„Erstaunlicherweise fanden sich unter den Fotos auch solche, die seltene, exotische oder gar inzwischen ausgestorbene Tiere zeigten. So schlich ein Tasmanischer Tiger durch einige Fotografien, auf anderen sah man einen Schuhschnabel oder auch eine Hyäne. Am seltsamsten fand ich die Bilder, in denen ein Dodo fotobombt. Auf einem Foto beobachtet ein Mann gar zwei Dodos in exotischer Umgebung. Ob das Bild auf Mauritius entstand? Der Verdacht liegt nahe – aber Dodos sind ja angeblich seit über 300 Jahren ausgestorben …“
Spätestens jetzt ist klar, dass es sich hierbei um Kunstwerke handelt. Auch entstanden mit originalen Fotografien, 1839 gilt ja dank Joseph Nicéphore Niépce und Louis Daguerre als das Geburtsjahr der Fotografie (durch die (Wieder-)Entdeckung des Prinzips der Camera obscura). Und Coriander Pinxit nimmt uns mit in eine künstlerische Zeitreise dorthin. Und auf eine Reise in ferne Welten und vielleicht nie da gewesene Momente. Wobei: „Die Fotos (...) entdeckte ich (auch) in Paris bei zwei verschiedenen Flohmarkthändlern. Den größten Schwung erstand ich auf dem Flohmarkt Saint-Ouen, Porte de Clignancourt.“ „UTOPIA“ ist ein großartiges Kunstwerk, das aus dem Alltag befreit und träumen lässt. Kunst von Coriander Pinxit aka Martin Arz, die von Sorgen und Stress befreit, die Ästhetik der „guten alten Zeit“, die ohne schlechtes Gewissen genossen werden kann.

Foto: © Coriander Pinxit by Martin Arz, München 2025
Utopia
„Utopia“, der Name des Buchs ist eindeutig. Wie kann träumerische Weltflucht mithilfe der Kunst helfen, im Alltag klarzukommen? Kunst ist für mich immer das beste Mittel, um Weltflucht zu betreiben. Das bedeutet nicht nur, Kunst zu produzieren, sondern auch Kunst zu konsumieren (Ausstellungen, Bücher etc.). Es sind kleine Fluchten, die den Alltag vergessen lassen. Und den Alltag manchmal zu vergessen hilft, mit ihm besser klarzukommen, weil man Abstand gewonnen und Kraft getankt hat. Kunst ist meine Kraftquelle. Die Utopie, die ich in diesem Buch entwickelt habe, half mir jedes Mal, wenn ich neue Ideen umgesetzt habe, mich in eine Gesellschaftsform zu träumen, in der Männer Männer lieben können, ohne Wenn und Aber. Und auch weiter dafür einzustehen. Gerade angesichts der weltweiten Entwicklung, bei der vor unseren Augen die mühsam erkämpften Rechte und Freiheiten mit einem Wimpernschlag wieder rückgängig gemacht werden (können), möchte ich zum einem zum Träumen einladen, zum anderen aber auch deutlich Stellung beziehen. Es gibt keinen Weg zurück.
Was macht für dich ein Bild erotisch? Natürlich zunächst ein hübscher Kerl. Der muss nicht nackt sein, kann er aber gerne. Wobei mir der reine Sixpack-Hype gewaltig auf die Nerven geht. Klar, schön trainiert ist immer gut anzusehen, aber seit einigen Jahren wird ein Männerbild propagiert, das ohne Pharmazie gar nicht mehr möglich ist und zu körperdysmorphen Störungen en masse führt. Was ich ziemlich unerotisch finde, ist, dass einem sofort immer der Ständer um die Ohren gehauen wird. Weniger Brunft ist oft mehr Erotik. Ich mag Andeutungen lieber.
*Interview: Michael Rädel
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