Lars Theuerkauff
Seine Kunst wird weltweit ausgestellt und gehandelt – unlängst in San Francisco etwa in der Gallery Cain Schulte –, doch Lars Theuerkauff lebt in Berlin, in einer sonnigen Hinterhauswohnung im Prenzlauer Berg. Hier traf ich mich mit dem Künstler und erkannte einmal mehr, wie sehr ein typischer neoklassizistischer Hauptstadt-Prachtbau von innen einer Burg ähneln kann.
WIE GENAU ENTSTEHT DEINE KUNST?
Das ist immer verschieden. Bei der aktuellen Serie war der Anstoß ein Gustave-Courbet-Gemälde von 1866, „L’Origine du monde“, der Ursprung der Welt – eine Ikone der Körperdarstellung. Ich fand das Bild immer schon unglaublich radikal und modern. Das muss man sich mal vorstellen: In einer Zeit, in der ansonsten vorsichtige Pantoffeln unter Rüschenröcken hervorlugen, kommt einer und präsentiert einen (auf-)gespreizten weiblichen Akt – wie später bei Mapplethorpe, nur zwei Jahrhunderte früher.
UND DU WOLLTEST EINE ART MÄNNLICHEN GEGENENTWURF MALEN?!
Genau! Was entsteht, wenn ein Mann, wenn Männer die Position der „L’Origine du monde“ einnehmen? – Und das in einer Zeit, in der Pornografie immer nur einen Mausklick entfernt ist.
WIE FINDEST DU DEINE MODELLE?
Im Freundeskreis, auch im Freundeskreis meiner Freunde. Manchmal auch übers Internet, aber das passiert eher selten. Ich würde ja auch nicht reagieren, wenn mich jemand auf Facebook fragt, ob ich ihm als Aktmodell zur Verfügung stehen würde ... (grinst)
UND DEINE INSEL-SERIE, WAS HAT DICH DA INSPIRIERT?
Die Idee kam am Meer, als ich letztes Jahr in Goa mehrere Tage am Stück alleine die Küste entlanggewandert bin. Da gibt es wahnsinnige Felsformationen im Wasser. Diese Stimmung mit einem liegenden Körper zu verbinden, das war mein Ausgangspunkt.
WENN MAN SICH DEINE BILDER SO INSGESAMT ANSIEHT, FÄLLT AUF, DASS DEINE MODELLE OFT LIEGEN ...
Ja. Sobald sich jemand hinlegt, ändert sich die Situation, und zwar auf uneindeutige Weise. Das gefällt mir. Stell dir vor: Jemand besucht dich, du zeigst ihm deine Wohnung, plötzlich legt der sich hin, auf den Boden, ins Bett, was weiß ich. Sofort ist alles anders ...
Natürlich fallen einem sofort Gegenbeispiele ein, wenn ich sage: Die wesentlichen Dinge passieren, wenn wir liegen. Wir werden geboren, lieben, träumen, sterben im Liegen. Wenn nicht, ist’s ’ne Ausnahme.
Bild: Lars Theuerkauff
WER AUS EINIGER ENTFERNUNG DEINE BILDER ANGUCKT, SIEHT, DASS DU HAUPTSÄCHLICH HAUT MALST.
Haut ist mir sehr wichtig! Ich kann mich manchmal einfach für die schöne Haut eines Menschen begeistern. Außerdem ist bei meiner Art zu arbeiten Haut im wörtliche Sinn der Berührungspunkt zwischen Leinwand, dem Motiv und (lächelt) und mir.
WIE?
Ich male ohne Pinsel, hauptsächlich mit den Fingern. Ich trage mit dem Spachtel, und ja: mit der Zahnbürste, Farbe auf, die ich dann mit den Händen verreibe. Wenn die Leinwandoberfläche nach vielen Farbschichten anfängt auszusehen wie Haut, wenn ich nicht mehr nachvollziehen kann, wie’s entstanden ist, dann wird’s spannend. Der ganze Prozess hat viel mit Zufall zu tun.
IST DAS SCHWULE KUNST?
Naturgemäß vielleicht ja, aber nicht hauptsächlich. Vorher hab ich eine „Mutter und Kind“-Reihe gemacht, davor eine namens „Vater & Sohn“. Diese Bilder sind weniger erotisch, obwohl die Modelle auch hier mehr oder weniger nackt sind. Trotzdem würde ich diese Bilder eher als zärtlich beschreiben, als intime Momente.
WAS STEHT FÜR 2011 AN?
Am 19. Mai eröffnet eine Gruppenausstellung in Zürich bei WIDMER+THEODORIDIS (www.0010.ch), da bin ich mit dabei.
WÜRDEST DU DICH ALS MELANCHOLISCH BEZEICHNEN?
Wie kommst du denn darauf? (lacht) Nein ... (überlegt) Nein, nein. Ich glaub nicht ...
•Interview: Michael Rädel