Als „Himmel auf“ 2012 erschien, sah nach außen hin alles ganz wunderbar aus. Das Album war oben in den Charts, die Tour ein Erfolg aber in der Band brodelte es. Doch eine Band hält zusammen! Irgendwann fängt jemand an zu reden, und wenn die Gedanken erst einmal ausgesprochen werden, kann man auch Probleme klären und neu anfangen. Zum Beispiel mit komplett neuem Management, neuen Produzenten und dem neuen Album „Leichtes Gepäck“. Sängerin Stefanie Kloß und Schlagzeuger Andreas Nowak über den Weg dorthin.
IHR HABT PRAKTISCH EIN NEUES LEBEN BEGONNEN. WAR DAS ALTE DENN WIRKLICH SO SCHLECHT?
Stefanie: Nach der vierten Platte haben wir zusammengesessen und uns gefragt, was wir in den zehn Jahren davor verpasst haben. Jahre, in denen wir keine Pause gemacht haben und uns nicht einmal gefragt haben, ob das denn alles noch cool ist. Tut uns das gut? Da haben wir festgestellt, dass wir sogar vergessen hatten, uns untereinander zu fragen, wie es geht. Wir war das denn für dich in den letzten Jahren? Wo stehst du mit deinen über 30 Jahren? Wir hängen zwar jeden Tag aufeinander, gehen Pizza essen und machen Musik zusammen, aber wir haben uns nie wirklich darüber unterhalten. Darüber, dass es auch wehtut. Über Themen, die einem Angst machen, die verletzten können und schmerzhaft sind. Wenn wir noch eine weitere Platte machen wollten, dann mussten wir lernen, die wichtigen von den unwichtigen Dingen zu trennen.
DAS KLINGT, ALS WÄRT IHR WIRKLICH KURZ DAVOR GEWESEN, DIE KARRIERE SILBERMOND ZU BEENDEN?
Stefanie: Unter den Bedingungen hat es uns auch einfach keinen Spaß mehr gemacht. Wir haben uns selbst so viel auf die Schultern geladen ... Wir haben unsere Strukturen so gebaut, dass wir viel mitverantwortlich waren. Dass wir uns super viel um die Dinge, die um die Band herum organisiert werden, gekümmert haben. Sachen wie: Steht der Bandname links unten oder oben auf dem Plakat? Wie sollen die nächsten T-Shirts aussehen? Wir haben fast vergessen, dass wir Musiker sind. Wir müssten doch im Probenraum sein! Die Balance hat nicht mehr gestimmt. Und bei der letzten Platte würde alles zum Job. Dafür sind wir nicht angetreten. Wenn es sich anfühlt wie Arbeit, dann sollten wir uns fragen, ob wir das überhaupt wollen. Es war schmerzhaft, wie in einer Ehe. Setzt du dich zusammen und redest über die Probleme? Oder trennst du dich einfach und verpisst dich?
Andreas: Und wie in einer Beziehung merkt man eben erst einmal, dass man nicht mehr redet. Man kennt den anderen, man fühlt, dass etwas nicht stimmt. Und dass man trotzdem schweigt. Man denkt ja, man sieht das als Einziger so, die anderen finden das bestimmt nicht so schlimm ...
IHR HABT EUCH JETZT MIT EINEM NEUEN MANAGEMENT NEU AUFGESTELLT. ES WAR ALSO WIRKLICH EIN NEUANFANG.
Andreas: Absolut! Es hat sich auch so angefühlt. Das hört man auch der Musik an, man hört, dass wir uns wiedergefunden haben und es neu losgeht.
Stefanie: Es ist, als haben wir nach den zehn Jahren eine neue Freiheit zurückgeholt. Wir waren so verbissen.
DA PASST ES, DASS IHR DIESES MAL IN NEUEM UMFELD, IN NASHVILLE AUFGENOMMEN HABT ...
Stefanie: Wir haben dort auch sonst nichts anderes gemacht! Wir sind vom Flughafen direkt ins Studio ...
Andreas: die Instrumente aufgebaut, sechs Stunden geschlafen und dann angefangen einzuspielen.
IN WELCHEM STUDIO?
Andreas: Blackbird. Ein sehr bekanntes Studio, eines der zehn besten Studios der Welt. Jack White hat da aufgenommen, Neil Young, Kings of Leon die Liste ist endlos. Wir wollten einen sehr hochwertigen Sound, einen Bandsound, bei dem du das einzelne Instrument auch hörst. Wir haben alle zusammen in einem Raum eingespielt, und da muss der Raum selbst auch klingen.
Stefanie: Es ist ein großer Unterschied, ob ich auf bereits aufgenommene Gitarren- und Bassspuren singe, oder ob Thomas und Johannes mit im Raum sind. Das Gefühl, zusammen zu spielen, ist ganz was anderes. Das war auch das Ziel dass wir zu viert wieder zueinander finden. Wir waren wirklich von morgens um 10 bis 24 Uhr jeden Tag in diesem Studio.
WAS WAR BEI DIESEN AUFNAHMEN NOCH ANDERS ALS SONST?
Stefanie: Wir haben aus den Demos nur die Songs rausgesucht, die wichtig sind, und uns dann gefragt: Welches Instrument ist eigentlich entscheidend? Nicht wie in den letzten Jahren, wo wir erst mal zwanzig Gitarrenspuren und zwanzig Schlagzeugspuren eingespielt haben. Dieses Mal wollten wir sehen, was der Song mindestens braucht. Funktioniert er dann schon? Wenn dann noch eine zweite Gitarre dazukommt oder wenn wir noch ein Cello mit reinnehmen, dann ist das cool. Aber nicht alles zupappen!
OBWOHL IHR GERADE BEI DER ARBEIT AM ALBUM WART, BIST DU, STEFANIE, PARALLEL WIEDER BEI THE VOICE DABEI.
Stefanie: Wir waren immer die Band, eine Gruppe, und wir mussten alles zusammen machen und so aber was gibt es außerhalb? Was ist da noch, neben Silbermond? Es darf eine Leben, neben der Band geben es muss eines geben! Das hatten wir damals nämlich auch vernachlässigt. Zum Beispiel Andreas. Der macht ganz tolle Fotos.
Andreas: Du bist ja da gar nicht objektiv
Stefanie: Nein, es ist wirklich so! Er hat auch für Freunde Videos gemacht Jeder braucht Raum für sich, um sich neben der Band zu entwickeln. Das inspiriert uns wieder alle, wenn jeder mit neuen Erfahrungen zurückkommt. Und The Voice ist mein Ding, mein Freiraum.
UND DAS MACHT DIR OFFENSICHTLICH SPASS.
Stefanie: Auf jeden Fall, sonst hätte ich es auch nicht ein zweites Mal gemacht! Was ich mir versprochen habe, ist, dass ich als Coach musikalische Freiheit mit den Talenten habe, damit die Talente mit den Songs glücklich sind, damit sie sich mit den Liedern gut repräsentiert fühlen. Denn es ist auch Arbeit, das darf man nicht unterschätzen im Sinne von: Man hängt sich da rein, auch emotional. Das ist schon manchmal krass. Du musst immer da sein, man muss immer wach sein, man muss immer genau hinhören. Es gab Momente, wo die Ohren ein bisschen erschöpft waren und ich zwei Sekunden zu spät reagiert habe und mich nur fragen konnte: Warum habe ich nicht gedrückt?
Interview: Hans Nixon