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Hamish Hawk
Wenn man „Big Cat Tattoo“ hört, die erste Single von Hamish Hawks drittem Album „A Firmer Hand“, fühlt man sich sofort in die 1980er-Jahre zurückkatapultiert. Ohne Zweifel lehnt sich dieses Stück an den Sound der Talking Heads an.
Solche Vergleiche schätzt der Schotte, geboren in Edinburgh, allerdings nur bedingt: „Einige Leute machen in meiner Musik eine Parallele zum Synthiepop von Depeche Mode oder zu Duran Duran aus“, ereifert er sich im Videointerview. „Dabei bin ich überhaupt nicht mit ihrem Sound aufgewachsen.“ Eher kann er sich mit Bands wie Pet Shop Boys oder Bronski Beat identifizieren. Dennoch würde die Pianoballade „Christopher St.“ auch Martin Gore gut zu Gesicht stehen. Dieses Lied sowie „The Hard Won“, eine eher ruhigere Nummer mit pluckernden Beats, haben für Hamish Hawk eine feminine Aura, die übrigen Titel versprühen eine eindeutig maskuline Energie.
Der Sänger mit der tiefen Stimme nutzt sie, um seine Beziehungen zu Männern zu reflektieren – seien es Liebhaber, Freunde, Familienmitglieder oder Geschäftspartner. Dabei sticht vor allem „Machiavelli’s Room“ heraus, getragen von düsteren Keyboardlinien. Der Text kreist um Lust und Erotik, Zeilen wie „When I cradle him / Yes, when I cradle him in my arms / Curse the gathering storms, burn their uniforms, if they do them harm“ verhehlen nichts. „Dieses Lied war das intensivste, das ich jemals hervorgebracht hatte“, sagt Hamish Hawk. „Mir war klar: Danach würde ich keine engelsgleichen Songs mehr schreiben können.“ Einer seiner ganz persönlichen Favoriten ist das dunkel-mystisch anmutende „Autobiography of Spy“. „In der schwulen Szene gibt es eine Unterwelt“, erzählt er. „Sie birgt sowohl einen Nervenkitzel als auch Gefahr. Für mich war sie immer verlockend.“ Für diesen Track hat er sich zunächst fiktionale Autobiografien von Spionen ausgedacht: „Wenn du deinem Land über Jahrzehnte als Agent gedient hast, kannst du saftige Geschichten erzählen.“ Solche Songs haben es natürlich in sich. „Ich möchte, dass die Leute in meinen Stücken etwas Einzigartiges hören“, erklärt Hamish Hawk. Nach dem großen Erfolg strebt er nicht unbedingt: „Ich will am Ende meines Lebens ein Gesamtwerk haben, mit dem ich selbst glücklich bin.“ So gesehen verwundert es nicht, dass sein Album „A Firmer Hand“ heißt. Für ihn hat dieser Ausdruck Symbolcharakter: „Mir war es wichtig, in meinen Liedern über Sachen zu sprechen, die ich sonst nie thematisiert hätte. Ich stehe fest für das ein, woran ich glaube – ohne darüber nachzudenken, ob das anderen nun gefällt oder nicht.“
Zu mehr Ehrlichkeit hat Hamish Hawk unter anderem Sylvia Plaths Lyrik animiert. „Es verblüfft mich immer wieder, wie viel sie in ihren Gedichten enthüllt“, grübelt er. „Sie macht in ihren Werken einen richtigen Seelenstriptease.“ In ihrer Poesie vermag er sehr viel Verletzlichkeit zu entdecken: „Sylvia Plaths Worte scheinen förmlich zu brennen.“ Ähnlich sieht es in Hamish Hawks Nummer „Questionable Hit“ aus, in der sich Zeilen wie „If they think you’re a fruit, the men won’t want to be you“ finden. Sie knüpft inhaltlich an den Titel „Think of us kissing“ von seiner vorherigen Platte an: „Ich habe versucht, Liebeslieder zu schreiben, die sich zugleich mit der Musikindustrie auseinandersetzen. Während ,Think of us kissing‘ auf Ungerechtigkeit schimpft, klingt ,Questionable Hit‘ verzweifelter.“ *Dagmar Leischow ffm.bio/hamishhawk