Foto: S. Ludewig
Ina Müller
Ein grauer Oktobertag. Ina Müller ist in einen dicken Mantel eingemummelt, als sie das Foyer des Hotels „The George“ nahe der Hamburger Außenalster betritt. Fürs Interview hat ihre Plattenfirma einen großen Raum mit zwei Sitzecken reserviert. Wir setzen uns ans Fenster, natürlich mit ausreichend Abstand.
Trotz Social Distancing ist es aber kein Problem, innerhalb von Sekunden mit der Sängerin und Moderatorin ins Plaudern zu kommen. Ihre Offenheit ist herzlich, ihre Sprache direkt, sie hält stets Blickkontakt – egal, ob sie über ihr Album „55“ oder ihre Sendung „Inas Nacht“ redet, in der sie wahnsinnig gerne mal Angela Merkel zu Gast hätte: „Bei ihr wäre ich kess, aber nicht frech. Ich würde Angela Merkel respektvoll begegnen, denn ich habe große Achtung vor dem, was sie als Bundeskanzlerin geleistet hat.“
Für Ina Müller selbst wäre es indes keine Option, in die Politik zu gehen und vielleicht sogar an der Spitze eines Landes zu stehen: „Mir fehlt die nötige Bildung und Intelligenz, um Bundeskanzlerin zu werden. Zudem wäre ich zu aufbrausend, zu emotional.“ Wenn ihr etwas nicht passen würde, würde sie beleidigt aus dem Bundestag stürmen. Davon ist sie überzeugt.
Aus sich herauszugehen, das scheint ihr im Blut zu liegen. Die 55-Jährige gilt als laut, hemmungslos und trinkfest. Dabei hat sie durchaus eine zerbrechliche Seite. Fast zehn Jahre litt sie an immer heftigeren Panikattacken: „Es gab eine Phase, in der ich nur im Liegen Linderung fand. Wenn ich nichts tat, konnte ich ruhig atmen und meine Panikattacke ging wieder weg.“ Richtig in den Griff kriegte sie ihre Krankheit erst mit einer Verhaltenstherapie: „Mir wurde bewusst, dass ich überfordert war und dem ewigen Druck einfach nicht standhielt.“
In der Konsequenz schaltete sie einen Gang runter. Sie tourte weniger, sie achtete mehr auf sich und das, was wirklich in ihrem Inneren vorging. Ihre leise, nachdenkliche Seite stellt sie nun zeitweilig in ihren neuen Songs zur Schau. In der Ballade „So hätt ich also sein soll’n“ steckt eine ordentliche Portion Wehmut, wenn Ina Müller reflektiert, warum sie nicht die Richtige für einen Verflossenen war. Das Lied „Fast hält länger als fest“ klingt mit Zeilen wie „Und es war fast perfekt. Fast wär mein Herz daran verreckt“ zutiefst melancholisch. Mal lotet Ina Müller ihre Traurigkeit aus, mal das, was in dieser Welt im Argen liegt. „Einer sprengt was in die Luft, weil ihn meine Art zu leben so sehr stört“, singt sie in der eingängigen Uptempo-Popnummer „Ich halt die Luft an“.
Mit ihren Süchten beschäftigt sich die Wahl-Hamburgerin, die im niedersächsischen Köhlen geboren wurde, ebenfalls. Dabei setzt sie auf ein altbewährtes Stilmittel: Ironie. „Das Nutellaglas ist leer, hab’n wir keine Kekse mehr?“, fragt sie in dem Titel „Wie Heroin“ und bekennt sich zu ihrer Zuckersucht. Auf Schokolade verzichten? Eher nicht realistisch für die Tochter eines Landwirts: „Ich habe einen starken Willen, Sachen zu machen. Mit Dingen aufzuhören fällt mir dagegen schwer.“
Deshalb hat sie es bis heute nicht geschafft, endgültig ins Lager der Nichtraucher zu wechseln. Trotz etlicher Anläufe: „Allein in der Zeit, in der ich das Lied ,Rauchen‘ schrieb, habe ich achtmal das Rauchen aufgegeben und wieder angefangen.“ Wenigstens qualmt sie heute deutlich weniger als früher, vielleicht zwei, drei Zigaretten pro Tag, manchmal tagelang gar nicht. Sie bezeichnet sich als Genussraucherin: „Für mich ist es ein schöner Moment, ein Glas Wein zu trinken und dazu eine Zigarette zu rauchen.“
*Interview: Dagmar Leischow
Ihre TV-Show ist Kult. Guido war auch schon da ... Und Nena ...