Fotos: M. Rädel
Joko Koma
Die Berliner Klubwelt wurde durch seine Kunst vielfältiger. Zweifelsohne inspiriert von Größen wie Leigh Bowery (1961 – 1994), aber vollkommen eigenständig und ein Vorbild für viele – das war seine Kunst. Das IST seine Kunst. Trotzdem hat sich Joko Koma immer mehr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Wir fragten nach.
Seit der Jahrtausendwende hast du in Berlin Maßstäbe gesetzt in Sachen Kunst. Warum hörst du nun auf? Ich höre ja nicht komplett auf, das Ganze ist ein bisschen komplizierter. 2023 war ein sehr ereignisreiches Jahr für mich. Ich hatte einige gesundheitliche Hürden zu meistern, musste mich zum Beispiel einer recht harschen Herz-OP unterziehen und war einmal mehr direkt mit der Realität konfrontiert, wie schlimm das sein kann, wenn man heutzutage auf Pflege angewiesen ist. Grundsätzlich fing aber 2023 trotzdem toll für mich an. Erst die Veröffentlichung meines Bildbandes „JOKO“, der in jahrelanger Zusammenarbeit mit Attila Hartwig entstanden ist, dann meine erste Ausstellung und zuletzt der Ritterschlag, dass ich das Gesicht für das Berghain sein durfte. Ich war richtig heiß darauf, mich in die Kunst- und Partyszene zu schmeißen. Doch dann gab es einen Vorfall hier bei mir in der Nachbarschaft, einen körperlichen Übergriff durch jemanden aus unserer Hausgemeinschaft, und das hat mich psychisch komplett aus der Bahn geworfen. So schlimm, dass ich mich selbst einweisen musste und für eine ganze Weile stationär geblieben bin. Damit nicht genug, bekam ich Anfang November das erste Mal Corona und wurde danach nicht mehr richtig gesund. Ich spreche nicht oft darüber, aber ich hatte schon vor Corona das sogenannte Chronic Fatigue Syndrome (CFS), was bedeutet, dass ich immer schlapp bin, fast durchgehend grippeähnliche Symptome habe, Schweißausbrüche, Gliederschmerzen etc. Seit der Covidinfektion ist das Ganze viel schlimmer geworden, jetzt ist es wohl Long Covid. Was bedeutet, dass ich oft nicht mal mehr lange aufrecht stehen kann, meine Zeit liegend verbringen muss. Ans Arbeiten ist da natürlich nicht mehr zu denken. Da ist auch keine Besserung in Sicht. Was das psychisch mit einem macht, ist – glaube ich – vorstellbar. Ich habe ja das Glück, gute Freunde zu haben, die mir in diesen Zeiten zur Seite stehen und sich kümmern. Aber auch das musste manchmal neue Formen annehmen. Mit Barbie zum Beispiel durchstreife ich jetzt häufig online gemeinsam irgendwelche Fantasiewelten auf der Playstation, sie bei sich und ich bei mir. Das hilft mir sehr.
Deine Kunst geht weiter? Zum Glück arbeite ich noch in anderen Nischen kreativ und habe auch meine Malerei, denn Zeichnen kann man auch gut im Liegen. Ich schöpfe seit meiner Kindheit auch aus einer sehr intensiven Traumwelt mit eigenen Regeln und Gesetzen. Das kann, will und werde ich nicht abstellen. Ich nenne das „gelebten Surrealismus“.
Und deine Kunstfigur Joko Koma, wie lebt die weiter? Ich will, dass die Figur weiterlebt, denn Joko Koma darf nicht sterben. Wie das genau aussehen kann, wird sich zeigen müssen. Ich bin psychisch wieder relativ stabil, was bedeutet, dass ich auch neue Kostüme basteln kann. Aber ich werde sie nicht mehr selbst tragen können. Ich suche deswegen andere kreative Verwandte, die mich bei der Entwicklung unterstützen, die Lust darauf haben, in meinen Kostümen das Berliner Nachtleben auf den Kopf zu stellen und Joko Koma so weiterleben lassen. Wir alle wissen, wie das ist: aus den Augen, aus dem Sinn. Berlin ist so schnelllebig; wird man ein paar Wochen nicht gesehen, ist man vergessen. Das darf mit Joko nicht passieren. Auch wenn wohl schon eine Abschiedsparty für mich in Planung ist. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, irgendwann meinen Namen an eine geeignete Person weiterzugeben. Wie einen Adelstitel. Aber die Idee ist noch nicht voll ausgereift, da wird es einige Voraussetzungen geben und das hat auch noch Zeit. Aber ich finde die Idee als Kunstprojekt spannend, sich vom Individuum zu lösen und den Namen wie einen Titel wandern zu lassen. Das Ganze könnte auch ein Pageant sein, wo Menschen gegeneinander antreten, um den Titel zu erkämpfen. Ihr seht, das ist alles noch nicht spruchreif. Aber ja, wer Lust darauf hat, meine Kostüme durchs Berliner Nachtleben zu tragen, kann sich gerne bei mir unter jokokoma@gmx.de melden.
Worauf freust du dich, worauf hoffst du? Es sind gerade Kleinigkeiten, die mir Freude bereiten … wenn die Schübe nicht so stark sind und ich einigermaßen schmerzfrei bin. Worauf ich wirklich hoffe, ist, dass Menschen mit ME/CFS besser geholfen wird. Es gibt so viele Fälle bei uns und es gibt kaum Hilfe. Und dazu kommt, wie wenig man als Mensch mit einer psychischen Erkrankung ernst genommen wird in unserem Gesundheitssystem. Ich weiß, alle sind überarbeitet und unterbezahlt, aber trotzdem muss ich oft Sachen fünfmal sagen, bis mich jemand für voll nimmt. Und manchmal selbst dann nicht. Nach meiner Herz-OP zum Beispiel hatte ich wahnsinnige Schmerzen und wies die Schwester mehrmals darauf hin. Sie winkte immer wieder ab, egal wie oft ich sagte, dass sich irgendetwas komplett falsch anfühlte und ich die Schmerzen für unnormal hielt. Erst, als mein Körper komplett in die Grätsche gegangen ist und ich schon über vierzig Fieber hatte, hat man mir geglaubt, dass etwas nicht stimmt, und hat dann panisch mit krassen Antibiotikadosen das Schlimmste verhindert. Auch bezüglich des CFS ist es leider immer dasselbe. Ich erzähle von meinen Symptomen, und die Ärzte winken ab, weil sie glauben, ich bilde mir das entweder ein, möchte Aufmerksamkeit oder sie schieben es auf die Nebenwirkung meiner Medikamente. Wenn man ohnehin schon so wenig Energie zur Verfügung hat wie ich und dann die meisten Versuche, bei Ärzten Hilfe zu bekommen, so ablaufen, ist das wirklich hart kontraproduktiv. Ich wünsche mir eigentlich nur, wieder ein einigermaßen normales Leben führen zu können.
*Interview: Michael Rädel
www.instagram.com/joko.koma, www.facebook.com/joko.koma
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