Das Getränk, über das sich unser Körper am meisten freut, ist ein Glas lauwarmes Wasser. Die Drogen, die er am besten verträgt, sind die, die er selbst herstellt: Endorphine, Adrenalin, Dopamin. Er kann Euphorie ganz ohne Substanzen von außen erzeugen. Jede*r weiß das, doch die Realität sieht anders aus – besonders in LGBTIQ*-Communitys.
Rausch als Befreiung – und als Flucht
Klubs und Bars waren lange die einzigen Orte, an denen queere Menschen sie selbst sein konnten. Hier wurde gefeiert, geliebt, rebelliert – oft mit Alkohol, Drogen und Exzess. Für viele war Rausch zugleich Befreiung und Flucht, denn außerhalb dieser Schutzräume bestimmten Diskriminierung, Gewalt und Ablehnung den Alltag.

mit KI erstellt
Rausch vs Nüchternheit
Rausch ist auch politisch. Wer feiert, nimmt sich Raum.
Ein tiefer Blick ins Glas bot eine Pause vom Minderheitenstress, kurze Momente der Unverwundbarkeit. Besonders in der schwulen Szene entstand eine eigene Drogenkultur – von der Disco-Ära der 70er über die Ballroom-Szene bis zum heutigen Chemsex-Trend.
Zwischen Ekstase und Abhängigkeit
Doch die Gratwanderung zwischen Freiheit und Abhängigkeit geht selten lange gut. Chemsex – der Konsum von Drogen wie GHB oder Meth beim Sex – lockt mit intensiven Erlebnissen, enthemmten Begegnungen und einem Gefühl von Zugehörigkeit, bedeutet jedoch auch sexuelle Grenzüberschreitungen, Überdosierung, Abhängigkeit und Isolation.
Doch Rausch ist auch politisch. Wer feiert, nimmt sich Raum. Wer trinkt, tanzt und sich enthemmt zeigt, signalisiert: Wir sind hier, wir lassen uns nicht verdrängen. Doch während Heteros, die auf Malle Eimer trinken, ein Schulterzucken ernten, gilt queere Entgrenzung schnell als problematisch – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der eigenen Community, die oft Moral mit Verantwortung verwechselt. LGBTIQ*-Gesundheitsinitiativen setzen dagegen auf Safer Use statt Verbote. Sie klären über Risiken auf, ohne zu verurteilen, und helfen beim Ausstieg. In ihrem Selbstverständnis ist nicht der Rausch das Problem, sondern die Strukturen, die ihn zur Flucht machen.
Klarer Kopf, neue Möglichkeiten
Nach der Fastenzeit geht eine Phase des bewussten Verzichts zu Ende. Viele entscheiden sich unabhängig von religiösen Vorschriften gegen Übermaß. Queere Menschen haben diesen Luxus oft nicht – ihr Alltag ist ohnehin von Entbehrungen geprägt: Es fehlen tragfähige Freundschaften, familiärer Rückhalt oder gesellschaftliche Anerkennung.
Doch es gibt auch eine andere Seite: Lesben, Schwule und Transgender, die bewusst nüchtern leben – aus Überzeugung oder weil sie merkten, dass Rausch ihnen schadet. Sie schlafen besser, fühlen bewusster, erleben mehr. Ein klarer Kopf bedeutet für viele Selbstbestimmung: frei von Substanzen, ganz bei sich selbst.
Queere Identität und Ekstase sind eng verbunden. Die Euphorie des Coming-out, der erste CSD, das Eintauchen in eine Menge Gleichgesinnter, die erste erfüllte Liebe – all das sind Rauschzustände, ganz ohne Substanzen. Und der Kater danach? Die Erkenntnis, dass das Streben nach Sichtbarkeit und Akzeptanz nie endet. Doch auch die Gewissheit, dass es sich lohnt weiterzumachen – mit oder ohne Rausch.