„Frankfurt hat keinen Platz für Queerfeindlichkeit“, hieß es neulich in einem Redebeitrag auf der Solidaritätsdemo gegen gewalttätige Übergriffe auf queere Menschen in der Mainmetropole. Ich würde sagen: Doch. Und Frankfurt hat auch einen Namen für diesen Platz: Die Konstablerwache – am Wochenende zwischen Mitternacht und Tagesanbruch.
Ort und Zeit sind bekannt und nicht neu. Seit mindestens drei Jahrzehnten ist das so. Zwischendurch hatten die Übergriffe mal deutlich abgenommen, doch die homo- und transfeindliche Gewalt steigt seit Jahren unübersehbar an. Dass man nicht noch öfter demonstrieren muss und die behördlich erfassten Hassdelikte gegen Queers in der Frankfurter Innenstadt, wie die Polizei mitteilt, „im mittleren einstelligen Bereich“ rangieren, liegt daran, dass sich die Szene – anders als die Mehrheitsgesellschaft – nicht der bequemen Illusion hingibt, dass es keine Orte gibt, die bestimmte Personengruppen schlichtweg meiden müssen, um Anfeindungen und Gewalt aus dem Weg zu gehen.
Es ist queeres Frankfurter Allgemeinwissen, dass man sich lieber was leiht, als nachts noch mal zum Geldautomaten an der Konstablerwache zu müssen, und sich in diesem Bereich allein am besten mit dem Taxi fortbewegt. Damit sich das ändert, ist ein erster Schritt, sich von lieb gewonnenen Floskeln zu verabschieden, die Realität in den Blick zu nehmen und Lösungen zu suchen.
Foto: bjö
Cheers Queers: Ende März gab es einen Solidaritäts- und Protestzug durch die Frankfurter Innenstadt anläßlich queer*feindlicher Übergriffe
War da was?
Wirksame Maßnahmen gegen die queerfeindliche Gewalt zu erarbeiten und umzusetzen, ist mühsam, ressourcenintensiv und braucht einen langen Atem. Deswegen ist es günstig für die Verantwortlichen, dass sich die Tagespresse genauso selten mit der Problematik befasst wie sie selbst. Meist bleibt es bei der Eintagsfliegenberichterstattung ohne weitere redaktionelle Follow-ups über den Verlauf der Ermittlungen und des Strafprozesses. Was für Konsequenzen hatte es denn für den Mob, der die genderqueere „Kweendrama“ am frühen Abend mitten auf der Zeil verdrosch? Was wurde denn aus den Schlägern, die wenig später eine Transfrau am Schwedenkronenplatz verletzten? Hat man die Täter gefasst, die zuletzt die Drag-Performer Electra Pain und Ember Remember sowie ihre Begleiter attackierten? Welche Strafe kriegen sie? Ich weiß es nicht, weil darüber – anders als über Verbrechen, an denen ein öffentliches Interesse besteht – nicht weiter redaktionell berichtet wird.
Wenn ich über die strafrechtlichen Konsequenzen, die ermittelte homo- und transfeindliche Gewalttäter tragen müssen, schon nichts erfahre, dann gibt es erst recht kein wirksames Abschreckungsmoment für potenzielle Tätergruppen. Natürlich ist es für Redakteur*innen mühsam, regelmäßig bei Polizei und Justiz nachzuhaken, wie der Sachstand bezüglich der zurückliegenden queerfeindlichen Übergriffe ist. Den Polizeiticker zugemailt bekommen und ab und zu mal Instagram checken, ist da einfacher. Aber es gibt doch darüber hinaus ein öffentliches Interesse daran, wie es um die körperliche und seelische Unversehrtheit von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten steht und wie der Staat Verbrechen gegen sie sanktioniert. Oder etwa nicht?
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Der Regenbogen ist eine Illusion, wenn die Gewässer in Wahrheit tückisch sind - Foto: flickr User Ken Lund Lizenz Creative Commons CC BY-SA 2.0
Wie hoch ist denn eigentlich die Aufklärungsquote bei den Hassverbrechen gegen Queers? Nach Auskunft der Polizei liegen die diesbezüglichen Anzeigen jährlich in der Frankfurter City im wie gesagt „mittleren einstelligen Bereich“. Gemessen an anderen Deliktfeldern ist das sehr wenig und der damit verbundene polizeiliche Arbeitsaufwand vergleichsweise gering.
Aber wie intensiv wird denn überhaupt ermittelt? Hilfreich ist sicherlich, wenn sowohl die Polizeibeamt*innen als auch die queeren Opfer der Straftaten möglichst wenig Vorbehalte und Berührungsängste voreinander haben. Bei der Polizei hat sich nach meiner Erfahrung gegenüber queeren Anliegen eine große Sensibilität eingestellt, weil die Behördenleitung darauf Wert legt und es längst Ausbildungsinhalt ist. Umgekehrt sollten auch Betroffene von den meist kaum szenekundigen Polizeikräften nicht die emanzipatorische Sprachgewandtheit eines queerfeministischen Hochschulreferats erwarten. Wenn die Frage nach dem Geschlecht bei der Anzeigenaufnahme schon als Zumutung empfunden wird, dann kann die Polizei zwar noch Freund sein, aber nicht mehr Helfer.
Wie wird das Engagement gegen Queerfeindlichkeit denn im Strafprozess weitergetragen? Wenn die Sachbearbeiter*innen im Polizeipräsidium sich die Beine ausreißen, um die Täter zu ermitteln, die dann aber von der Justiz nur zu ein paar Sozialstunden Kippen aufsammeln im Park verdonnert werden, ist das ein völlig falsches Signal. Für die Delinquenten bedeutet es mehr Auszeichnung als Strafe.
Es muss aber unmissverständlich nach außen wahrnehmbar klargemacht werden, dass es bei der Ahndung von Gewalt gegen Minderheiten unserer Gesellschaft keine Kompromisse, sondern ernste Konsequenzen gibt. Das könnte Teil der Lösung sein. Das Ausbleiben solcher Zeichen vonseiten der Politik und Justiz und das gebetsmühlenartige Wegreden der No-go-Zonen für Queers ist derzeit aber noch Teil des Problems.