Rambo IV
Als sich Sylvester Stallone und mir einmal die Gelegenheit bot, gemeinsam in einem Film mitzuspielen, da war es nur an ihm gescheitert.
Denn der australische Zoll hatte bei seiner Einreise nach Australien ein beachtliche und illegale Menge muskelaufbauender Substanzen in seinem Gepäck gefunden, die er nach seinen Angaben für einen mehrmonatigen Dreh in Thailand brauchen würde.
Als der Actionfilm unter dem Arbeitstitel „Rambo IV“ dann mit entsprechender Verzögerung dort ins Werk gesetzt werden sollte, stand ich aber schon nicht mehr zur Verfügung.
In den Jahren, die ich in dem südostasiatischen Land gelebt und gearbeitet hatte, war ich nämlich regelmäßig als Darstellerin in Werbefilmen für Shampoo, Bodylotion und Laptops aber auch in Bollywood-Schnulzen in Rand-Erscheinung getreten, die aber alle nicht der Erwähnung wert sind.
Entsprechend glühend bereit war ich also damals, in Stallones Produktion all mein schauspielerisches Vermögen in die Waagschale zu werfen, um als Komparsin in der unscharfen Tiefe des Drehortes auf und ab zu wandeln, während Rambo vorne einsilbige Dialoge murmelte.
Rückblickend ist es nicht schade drum, denn als jüngst das filmische Endprodukt auf einem unvorteilhaften Sendeplatz im Free-TV lief, schaltet ich schon vor der ersten Werbeunterbrechung ab, um lieber ein langweiliges Buch zu lesen.
Nun begab es sich aber neulich, dass ich an einem Donnerstagabend in die Frankfurter Bar Central einkehrte, die an diesem Wochentag besonders von frauenliebenden Frauen besucht wird.
Überraschenderweise waren dort vor der Tür und im Gastraum Dreharbeiten im Gange.
Der Auskunft nach für ein Filmprojekt, in dessen Handlung einem lesbischen Liebespaar - bestehend aus einer sudanesischen Geflüchteten und einer Französin – allerlei Hürden auf ihrem Weg zueinander gelegt werden.
Eine dieser Hürden sollte eine mitleidslose Türsteherin vor einer Bar sein, die der Geflüchteten trotz ihrer sehnsuchtsvollen Blicke auf das vergnügliche Zusammensein im Schankraum mit abschätzigem Blick und abwinkender Geste den Zutritt verwehrt.
Weil das Central aber in Wahrheit gar nicht über eine Doorwoman verfügt, musste für die Inszenierung schnell vor Ort eine gefunden werden und ehe ich mich versah, war ich für diese Rolle in Dienst genommen, lehnte übellaunig in der Eingangstür und bediente mich der finstersten Ausdrucksformen meines Repertoires.
Danach stand zwar die Frage im Raum, weshalb ausgerechnet einem sonnigen Gemüt wie mir vorbehaltlos die Rolle einer unbarmherzigen Sperrperson zugesprochen wurde, aber bevor ich mich von solchem Hader angreifen ließ, rief ich kurzerhand im benachbarten Tangerine eine Post-Produktionsfeier zu meinen Ehren ins Leben und vergaß darüber schnell alle Zweifel.
Freude macht mir auch die glänzende Entwicklung der Frankfurter Rainbow Refugees, der Gruppe LGBT*-Geflüchteter, mit denen ich gerne ab und an auf einen Plausch zusammensitze und deren Lernkurve des Spracherwerbs so steil nach oben weist, dass wir schon seit einigen Wochen unwillkürlich in die deutsche Sprache verfallen sind.
Die wiedergewonnene Lebensfreude und zuversichtliche Hoffnung meiner Gegenüber auf eine freie und selbstbestimmte Zukunft lassen mich dabei nie unberührt, erinnert aber gleichwohl auch daran, wie wertvoll und keineswegs selbstverständlich unsere über Jahrzehnte erstrittene Freiheit und Emanzipation ist.
"Ihr seid nicht alle!"
Dass jene auf auch heute noch keineswegs so gefestigt und selbstverständlich sind, ruft uns in diesen Tagen die Ankündigung einer für den 30. Oktober geplanten homo- und transphoben Kundgebung in Wiesbaden mit der schlangenzüngigen Selbstbezeichnung „Demo für alle“ ins Gedächtnis.
Dahinter steckt ein Zusammenschluss von Rechtspopulisten, christlich-fundamentalistischen Gruppen und kruden Homo-Hassern, der bereits in anderen Bundesländern aber auch europaweit jeder gesellschaftlichen Weiterentwicklung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bissexuellen, Trans* & Inter-Menschen und Queers mit offen formulierter Abscheu entgegentritt.
Anlass diesmal ist der von der hessischen Landesregierung neu formulierte Lehrplan, der nun endlich vorsieht, an den Schulen künftig auch Wissen über alle sexuellen Orientierungen und Identitäten und unterschiedlichsten Partnerschaftsformen zu vermitteln.
Dies mit dem Ziel, bei jungen Menschen Vorurteile auszuräumen, dadurch diskriminierendes Verhalten zu vermeiden und Akzeptanz anderen Lebensentwürfen gegenüber zu fördern.
Zudem hat die jüngste Coming-out-Studie aufgezeigt, dass obgleich die Gesellschaft insgesamt offener geworden ist, das Coming-out von Jugendlichen heute noch wie vor Jahrzehnten von Selbstzweifeln, Zukunftsängsten und Ausgrenzung gekennzeichnet ist.
Durch aufklärende Wissensvermittlung im Schulunterricht, wie sie für heterosexuelle und cisgender Zusammenhänge seit langen Jahren überall die Regel ist, kann mit dem neugefassten Lehrprogramm für LGBTIQ*-Teenager viel Kummer und Unsicherheit abgewendet und damit auch ihrem Anspruch auf eine selbstbestimmte Entwicklung und Zukunft entsprochen werden.
Hiergegen zu einer öffentlichen Demonstration aufzurufen, zeugt vor diesem Hintergrund nicht nur von großer geistiger Rückneigung sondern auch von unübersehbarer Menschenverachtung.
Um so wichtiger ist es, sich dieser Kundgebung zahlreich und deutlich entgegen zu stellen.