Jo van Nelsen ist ein Multitalent und bezaubert seit Jahren ganz Deutschland mit seiner Kunst. Ein Gespräch über seine Karriere – im Rückspiegel und mit Blick in die Zukunft.
Du bist ein Allrounder … in welcher Sparte fühlst du dich zu Hause?
Wie das Wort schon sagt: In allen. Auf der Bühne als Sänger, Kabarettist, Moderator. Vor der Bühne als Regisseur bei Musikkabarett und Theater, als Coach im Seminarraum. Ich brauche diese Vielfalt, um mich nicht zu langweilen, und bin sehr glücklich, dass sich da immer wieder neue Türen öffnen. Ich finde einfach, das ist Leben – neugierig bleiben ist da ganz wichtig. Auch wenn ich damit für viele nicht immer gleich in eine Schublade zu stecken bin.
Seit 25 Jahren stehst du auf der Bühne. Wie zelebrierst du das?
Ich habe mir die Musiker der Band geschnappt, mit der ich seit fast zwanzig Jahren im Tigerpalast Varieté in Frankfurt zusammenarbeite, und habe einen Abend aus neuen und alten Liedern unter dem Titel „Lampenfieber“ zusammengestellt. Die Arrangements sind aber viel jazziger als bislang – da haben mich die Musiker sehr ermutigt, dass ich diese Seite als Sänger mehr lebe. Und ich liebe es! Und das Publikum, Gott sei Dank, auch!
Wie kamst du auf die Idee der „Grammophon-Lesungen“?
Ich sammele seit meinem 12. Lebensjahr Schellackplatten und Grammofone. Oft, wenn Freunde zu mir nach Hause kommen, wollen sie eine Platte hören, weil sie diesen Sound einfach nicht kennen, und kriegen dann leuchtende Augen. Da ich einen Beruf habe, der für leuchtende Augen zuständig ist, habe ich lange überlegt, wie ich diese private Leidenschaft auf die Bühne bringen könnte … Ich habe dann die Idee gehabt, Texte zu suchen, die nicht mehr bekannt sind, und dazu den Soundtrack direkt vom Grammophon zu liefern. Die erste Lesung war im letzten Jahr „Lametta, Gans und Siegerkranz“, die sich das deutsche Weihnachtsfest unter dem Aspekt „Kitsch und Propaganda“ vornimmt und gleich sehr gut von Presse wie Publikum angenommen wurde. Dieses Jahr folgten dann ein vergessener Roman der Jahrhundertwende und einer zum Ersten Weltkrieg, im Sommer dann noch ein Tucholsky-Abend. Ich glaube einfach sehr daran, dass man aus der Geschichte viel lernen und trotzdem Spaß an ihren eigentümlichen Ausformungen haben kann.
Lampenfieber – wie gehst du damit persönlich um?
Ich bin davon nicht so wirklich geplagt – allerdings in den letzten Jahren häufiger als früher. Das hat wohl damit zu tun, dass man einfach weiß, was alles so passieren kann. Und auch, dass die grauen Zellen nicht mehr ganz so frisch sind wie vor 25 Jahren. Aber wenn mal ein Fehler passiert, gehe ich damit heute sehr viel lockerer um, als zu Beginn meiner Karriere. Und genau diese Ausrutscher machen den Abend dann fürs Publikum zu was Besonderem. Viele glauben oft gar nicht, dass das nicht geplant war. Aber ich fühle mich auf der Bühne jetzt erst richtig wohl, weil ich genau das mache, was ich machen will. Auch wenn das vielleicht ein wenig gegen den Trend geht. Man braucht einfach einen langen Atem in dieser Szene.
Du bist viel auf Tour … macht es dir Spass oder ist das anstrengend?
Klar ist es anstrengend, vor allem das viele Fahren. Aber wenn ich drei Wochen nur zu Hause sitze, vermisse ich es auch und muss dann dringend raus. Ich verreise auch privat sehr gern, vor allem Städtereisen, die Museen dort besuchen, Lebensgefühl in anderen Ländern aufnehmen – das ist doch ganz wichtig. Gerade, wenn man sich wirklich als Europäer begreifen möchte, wie es ja immer von uns gefordert wird. Die Welt lernt man eben nur zum Teil über Facebook kennen.
2.9., Logensaal der Hamburger Kammerspiele, Mittelweg 111, Hamburg, U Hallerstr., 20:15 Uhr, weitere Termine und Spielorte unter www.jovannelsen.de