Fünfzehn Wochen schrieb Nina Queer für uns das „Tagebuch einer Überlebenden“ und schenkt uns heute die vorerst letzte Kolumne für männer*. Verzichten muss man zukünftig aber nicht auf sie. Allen, die von ihrem einmaligen Schreibstil nicht genug bekommen können, empfehlen wir, einen ihrer Bestseller zu lesen. Wer mit Büchern nichts anfangen kann, macht einfach seinen Fernseher an: Ab August flimmert Nina Queer mit ihrer neuen Show auf Comedy Central über die Bildschirme. Wir wünschen unserer Lieblingskolumnistin jedenfalls alles Gute und viel Erfolg.
Nina Queer 2020
Aus tiefstem Herzen hoffe ich, dass euch meine Kolumne in den letzten Wochen das ein oder andere Mal ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat, auch wenn es wenig zu lachen gab. Es war und ist noch immer eine merkwürdige Zeit, die viele von uns hart getroffen hat. Wenn auch nicht durch Krankheit, dann aber doch beruflich oder durch die Empathie für unsere Mitmenschen, die es noch schwerer hatten als wir selbst. Egal wie gespalten Deutschland in vielen Fragen ist, so hat diese Krise doch bewiesen, dass wir als Gemeinschaft bestehen können und gemeinsam alles Schlimme überwinden. Neben einem guten Gesundheitssystem ist vor allem der Zusammenhalt der Gemeinschaft der ausschlaggebende Punkt, um so etwas Schlimmes wie eine Pandemie zu überstehen.
Klar gab es in den letzten Wochen einige Rückschläge, die wirklich nicht nötig waren. Ich denke da an Großdemonstrationen ohne Einhaltung der Abstandsregeln, besoffenes Bötchenfahren auf dem Landwehrkanal oder diverse Zuckerfeste und Gottesdienste. Und Fleischereibetriebe, die die Quittung für ihre unmenschlichen Haltungen von Tieren und Menschen, bitter bezahlen müssen. Karma is a Bitch. Am heutigen Tag haben wir eine Zahl von rund 5.600 aktiven Fällen von Corona in Deutschland. Darauf können wir erstmal stolz sein, dürfen uns aber auch nicht darauf ausruhen und unvorsichtig werden.
Und wer weiß? Wenn wir uns nur noch wenige Wochen an die Hygienegebote halten und jeder auf sich selbst ein bisschen Acht gibt, könnten wir nach Neuseeland die nächste Nation sein, die sich für coronafrei erklären kann. Vielleicht ein schöner Traum. Möglich ist alles. Trottel gibt es immer. Leider.
Mir bleibt die Hoffnung, dass diese – fast übermenschliche – Erfahrung für viele ein Auslöser gewesen sein könnte, wieder zum Menschsein zurückzufinden. Wir hatten alle viel Zeit, um über unsere Mitmenschen, unsere Umwelt und über uns selbst nachzudenken. Möglicherweise als besserer Mensch aus dieser Dunkelheit herauszutreten. Ich persönlich habe viel über die Liebe nachgedacht. Nicht über die Liebe zu einem bestimmten Mann, sondern über die Liebe unter den Menschen an sich. Nach wenigen Wochen wurde mir bewusst, dass ich niemanden auf dieser Welt hasse. Klar gibt es Leute, die ich mehr oder weniger mag. Ein paar wenige auch gar nicht. Aber hassen kann ich nicht. Nicht mehr. Das Leben ist so kurz und viel zu kostbar, um nur eine Minute lang mit Hass zu verschwenden. Mir geht es nur noch darum, mit Menschen zusammen zu sein, die ich aufrichtig liebe, und das nach Möglichkeit bis an den Rest meines Lebens.
Was wirklich wichtig ist, ist unsichtbar. Man kann es nur fühlen.
Sollte es wieder einmal einen Shutdown geben, werde ich an dieser Stelle wieder zu euch zurückkehren und mit dem „Tagebuch einer Überlebenden“ weitermachen. Jetzt jedoch habe ich das Gefühl, dass alles gesagt und geschrieben ist, was es zu diesem Thema zu sagen oder schreiben gibt. Es ist Zeit loszulassen, damit wir langsam alle wieder zum Alltag zurückkehren können.
Wenn wir diese entsetzliche Scheiße irgendwann überstanden haben, vergessen wir hoffentlich nicht, wie zerbrechlich unser aller Glück ist. Aus welch zarten seidenen Fäden unser Leben gesponnen ist. Unser Verhalten formt unsere Persönlichkeit, und unsere Persönlichkeit ist verantwortlich für unsere Taten.
Denkt jedes Mal darüber nach, wie ihr gerne behandelt werden wollt, bevor ihr über andere urteilt und sie womöglich selbst schlecht behandelt. Vergesst niemals die Liebe und den Humor dabei. Ohne Humor und ein tägliches Lächeln in unserem Gesicht ist ein Leben ohnehin nicht lebenswert. Ob mit oder ohne Corona.
Bleibt oder werdet gesund!
Ich sende euch all meine Liebe!
HAPPY PRIDE!
Eure Nina Queer
männer* sagt von Herzen Dankeschön, liebe Nina Queer. Du hast uns in dieser Außnahmezeit immer erheitert, oft getriggert und manchmal bis an die Grenze gefordert – queere Unterhaltung, wie sie im Buche steht. Zum Abschied passend – nicht ohne ein solidarisches Denken an die von COVID-19 so dramatisch getroffene Nation – die italienische Diva schlechthin. Bis bald!