Freier lieben: Erste US-Stadt erkennt polyamore Beziehungen an

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Die kleine Stadt Somerville im Bundesstaat Massachusetts hat als erste eine umfassende Verordnung zur Anerkennung von vielen verschiedenen Familien- und Beziehungsbildern verabschiedet. Dazu gehören polyamore Verbindungen zwischen mehr als zwei Personen ebenso wie platonische, nicht-sexuelle Beziehungen. Auslöser dafür ist, wie soll es in diesem Jahr anders sein: Corona.

Die rund 81.000 Einwohner fassende Stadt in Massachusetts ist ein Vorreiter in Sachen Familienanerkennung. Nach dem neuen Gesetz der Stadt sind nun alle Arten von Beziehungen und Familien in ihren Rechten einander gleichgestellt. Damit möchte die Regierung der Stadt klarstellen: Es geht sie nichts an, ob die Menschen in einer Beziehung zu zweit, zu dritt, zu zehnt oder gar nicht miteinander schlafen – sie verdienen trotzdem alle die gleichen Rechte. 

Zu diesem Fortschritt führte Corona: Da Somerville anders als andere Städte in Massachusetts, so wie Boston und Cambridge, vor Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe kein ziviles Partnerschaftsgesetz verabschiedete, wurde nur Menschen, die verheiratet sind, erlaubt, ihre kranken Partner im Krankenhaus zu besuchen. Viele wandten sich daraufhin besorgt an die Stadträte und baten um eine Lösung.


Sollte eine Regierung Beziehungen definieren dürfen? 

Foto: Sharon Mccutcheon / Unsplash / CC0

Die wurde schnell gefunden: Ein Partnerschaftsgesetz sollte endlich verabschiedet werden. In dem Entwurf wurde eine Beziehung als Verbindung zweier Menschen definiert. Ratsmitglied JT Scott fragte nach, warum dies der Fall sei, so sein Stadtratskollege Lance Davis gegenüber der Tageszeitung The Boston Globe – woraufhin ihm klar wurde, dass er „keine gute Antwort“ habe, und den Entwurf kurzerhand neu formulierte.

Nun wird darin eine Partnerschaft als „eine von Menschen gebildete Einheit“ bezeichnet, statt wie zuvor als „eine von zwei Personen gebildete Einheit“. Auch die Pronomen „er und sie“ werden fortan durch „sie“ und „beide“ durch „alle“ ersetzt. Am 29. Juni unterzeichnete Bürgermeister Joe Curtatone die innerstaatliche Partnerschaftsverordnung im Kommunalrecht, nachdem der Stadtrat am 25. Juni für den Vorschlag votiert hatte – einstimmig. Ratsmitglied Lance Davis erzählte der Zeitung:

„Ich habe immer das Gefühl, dass wir, wenn Gesellschaft und Regierung versuchen zu definieren, was eine Familie ist oder nicht, historisch gesehen sehr schlechte Arbeit geleistet haben. Es ist nicht gut gelaufen, und es ist kein Geschäft, in dem die Regierung tätig sein sollte, was dazu führte, dass ich darüber nachgedacht habe.“

Alle Partner einer Beziehung können sich nun gegenseitig im Krankenhaus besuchen und Angestellte der Stadt können alle ihre Partner in ihrer Krankenversicherungspolice angeben, so die New York Times.


Grüne, DIE LINKE und FDP in Deutschland zumindest für Mehrelternschaft

Foto: Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde

In Deutschland startet im Bundestag aktuell die grüne Bundestagsfraktion einen Versuch, aus dem starren Zweierbeziehungsdogma auszubrechen. Unter dem Titel „Soziale Elternschaft rechtlich absichern“ wurde ein Antrag ins Parlament eingebracht, der zum Ziel hat, bis zu vier Personen die Co-Verantwortung für ein Kind zu gestatten. Katja Dörner, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik dazu:

„Mutter, Vater, Kind ist längst nicht mehr die einzige Form des familiären Zusammenlebens. In Deutschland wird eine Vielzahl an Familienmodellen gelebt. In Stiefkind-, Patchwork- und Regenbogenfamilien unterstützen soziale Eltern bei der Erziehung, tragen zum Unterhalt bei und sind wichtige Wegbegleiter für die Kinder. Regenbogenfamilien sind häufig von Beginn an - bereits vor der Geburt eines Kindes - als Mehrelternkonstellationen angelegt. Neben einer längst überfälligen Reform des Abstammungsrechts, die Co-Mütter unmittelbar zu rechtlichen Müttern macht, fehlt es Mehrelternkonstellationen an rechtlicher Absicherung. Dies erschwert verbindliche Verantwortungsübernahme und schadet am Ende in erster Linie den Kindern.“

Die FDP hatte einen diesbezüglichen Beschluss schon im Bundestagswahlkampf 2016 in ihrem Wahlprogramm und kritisierte 2017 die diesbezügliche Nichtbefassung durch die Bundesregierung scharf:

Auch DIE LINKE schrieb schon 2016 in ihr Wahlprogramm: 

„Wir setzen uns dafür ein, dass auch (bis zu) vier Personen Eltern für ein Kind sein können, also in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben.“

Freilich sind das alles nur das Kindeswohl betreffende Vorschläge, aber jedem Anfang wohnt ja ein gewisser Zauber inne ...

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