KOLUMNE: Corny Littmann

Foto: Nicolai Horn

Jedes Jahr das Gleiche! Die schwule Presse sucht fieberhaft nach einem CSD-Methusalem der ersten Stunde und zwingt ihn zum Kolumneschreiben. Schließlich soll das schwul-lesbische Stadtfest so politisch wie nur irgend möglich erscheinen. Für mich ist diese Anfrage lediglich ein bitterer Verweis darauf, dass ich ein Alter erreicht habe, in dem so mancher einen Zivi an die Seite gestellt bekommt. Also gut: Märchenstunde mit Onkel Corny.

Es war einmal vor 31 Jahren ein kleiner Haufen idealistischer, stark-behaarter Schwuler mit einem gemeinsamen Traum: Gleichberechtigung (und natürlich jede Menge Sex, aber das ist ja klar). Worte wie Intimrasur oder Analbleeching waren ihnen fremd. Sie trugen Parka und Jeans und wollten Heteros in freier Wildbahn erschrecken. Frei nach dem Motto Wir bleiben unsrer Losung treu schwul, pervers und arbeitsscheu! besorgten sie sich zwei kreischende Lautsprecher, schnürten diese auf einen kleinen LKW und zogen durch die Hamburger Straßen. Statt laut und schrill waren die schwulen Idealisten von 1980 aber vor allem eines: wenige. Der Umzug bestand aus gerade einmal 300 unerschrockenen Homo-Aktivisten.

Foto: Stefan Malzkorn

Heute ist alles anders. Gaffende Heteromassen säumen den Weg der CSD-Parade. Für ein Wochenende ist die Hansestadt im schwulen Ausnahmezustand. Alle Ampeln stehen auf Rosa. Und Deutschland ist weitestgehend tolerant geworden. Dafür können und müssen wir dankbar sein, denn im weltweiten Vergleich ist das ganz anders. Auf Kuba sind schwule Zeitschriften und Paraden zum CSD immer noch verboten. Dort passiert jetzt das, was ich vor 31 Jahren in Hamburg erleben durfte: Der Protest nimmt langsam Form an. In Kubas drittgrößter Stadt Camagüey gibt es ein ganz besonderes Tanzensemble. 18 junge Kubaner und Kubanerinnen tanzen dort Bizets Carmen auf nie da gewesene Art und Weise. In ihrer Show ist Carmen ein Mann und was für einer. Das musste ich mir natürlich nach Hamburg ins TIVOLI holen. Bestaunen kann man diese einzigartige Show ab dem 1. September bei uns auf der Reeperbahn aber nur gucken, nicht anfassen!

Bei all der Erotik darf auch die heterosexuelle Minderheit nicht vergessen werden: Die kann sich im Sommer an Kubas weiblichen Reizen erfreuen. Im Thalia Theater gibts die Welturaufführung des Musicals AMIGAS mit leidenschaftlichem Gesang, Live-Band und großem Tanzensemble. Die aufwendige Show erzählt die Geschichte eines einst erfolgreichen Gesangstrios, das sich nach Jahren der Trennung auf der Bühne wiedervereint. Kubanische Lebensfreude im XXL-Format. Es sind auch zwei knallheiße männliche Tänzer dabei. Von wegen Sommerloch! Das wird höchstens auf der After-Show-Party gekürt. Bewerbungen bitte an corny_sucht_das_sommerloch@tivoli.de. Ich freue mich auf heiße, wenn auch leider wenig politische, aber dennoch wichtige CSD-Tage und wünsche allen eine wundervolle Parade!

Herzlichst Euer Corny

 WWW.TIVOLI.DE

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