SCHLAU ZU HIV • 3 Fragen an Dr. Christensen

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Dr. Stefan Christensen ist Partner in einer HIV-Schwerpunktpraxis in Münster und Mitglied im Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter e. V. (dagnä).

Eine aktuelle Umfrage unter HIV-Positiven zeigt, dass sie im Vergleich zu Nichtinfizierten deutlich negativer in die Zukunft blicken. Woran liegt das Ihrer Meinung nach? Immerhin haben sich ihre Aussichten und ihre Lebenserwartung in den letzten zwanzig Jahren deutlich verbessert.

Die HIV-Infektion ist zwar weiterhin nicht heilbar, aber, wie andere chronische Erkrankungen auch, gut behandelbar geworden. Die Überlebenszeit hat sich der HIV-negativen Bevölkerung angeglichen. Diese Informationen sind aber sowohl in dieser Gruppe als auch in der allgemeinen Bevölkerung noch nicht bekannt genug. Das kann dazu beitragen, dass das Stigma, HIV-positiv zu sein, die Betroffenen zu einer pessimistischeren Sicht auf ihr Leben verleitet. Hier sind auch wir Behandler gefragt, von der reinen Virusbekämpfung hin zur ganzheitlichen, auch psychischen Unterstützung zu kommen.

Viele geben an, dass sie keine gesundheitsfördernden Aktivitäten starten, weil sich das sowieso nicht lohnen würde – sie seien ja bereits HIV-positiv. Was raten Sie diesen Patienten?

Das ist eine völlig falsche Annahme. Aktuelle Studien zeigen, dass altersbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf- oder Nierenerkrankungen bei HIV-Positiven im Schnitt rund zehn Jahre früher auftreten als bei Nichtinfizierten. Deshalb lohnt es sich genau dann, wenn man HIV-positiv ist, auf die Gesundheit zu achten. Wichtig ist, mit dem Arzt im Gespräch zu bleiben und, wenn sinnvoll, auf moderne Therapieregime umzusteigen, die weniger Langzeitfolgen mit sich bringen, zum Beispiel weniger Auswirkungen auf Nieren und Knochen. Gerade wenn die Therapie über Jahre und Jahrzehnte eingenommen wird, ist das ein wichtiger Punkt.

Die Angst, einen Partner beim Sex mit HIV anzustecken, ist laut Umfrage weiterhin groß, auch unter Therapie. Wie schätzen Sie das Risiko ein?

Mit einer funktionierenden HIV-Therapie und einer Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze schützt man den Partner so gut wie mit einem Kondom vor einer HIV-Infektion. Man kann also auch mit einer HIV-Infektion ein erfülltes Sexualleben haben. Dies ist ein wichtiger Baustein in der Verbesserung der Lebenssituation der Patienten und sollte auch so in der Beratung vermittelt werden. Allerdings schützt eine HIV-Therapie natürlich nicht vor anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen.

*Interview: Christian Knuth

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