#schlauzuhiv • Wirksam, verträglich, robust: Worauf kommt es bei einer HIV-Therapie heute an?

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Bei Smartphones warten wir oft ungeduldig auf das nächste, neueste Modell und sind gespannt darauf, welche Features verbessert wurden oder sogar neu hinzugekommen sind. Was sind die „Features“ einer antiretroviralen Therapie, wegen derer sich vielleicht der Wechsel auch einer langjährigen, eingespielten Therapie lohnen kann? Darüber haben wir mit Dr. Carl Knud Schewe, Facharzt für Innere Medizin im ICH-Hamburg, gesprochen.

Foto: Andreas Klingberg

Im Englischen heißt es „If ain’t broke, don’t fix it“. In Deutschland haben wir daraus die Devise „Never change a running system“ gemacht. Gilt das auch für die HIV-Therapie?

Nur noch eingeschränkt. Wir können – und machen das auch zunehmend – ein gut laufendes Regime, prophylaktisch auf ein anderes umstellen, weil wir zum Beispiel heute besser über die möglichen Langzeitnebenwirkungen älterer Therapien Bescheid wissen. Wir haben in den letzten fünf Jahren sehr viel gelernt und sehr viele neue Therapieoptionen bekommen. Es ist ein langsamer Prozess, weil wir ja lange Jahre glücklich waren, wenn wir überhaupt eine dauerhaft verträgliche und funktionierende Therapie gefunden hatten.

Was sind mögliche Gründe, wegen derer Sie Ihren therapieerfahrenen Patient*innen einen Wechsel eines eingespielten Regimes vorschlagen würden?

Es sind vielfältige Gründe möglich. Wenn ich sehe, dass es Probleme mit der Adhärenz – also der regelmäßigen Einnahme – gibt, empfehle ich prophylaktisch auf eine modernere Therapie mit Integrasehemmern der zweiten Generation zu wechseln. Die haben eine hohe Wirksamkeit und dazu eine enorme Resistenzbarriere – Therapieversagen und Resistenzentwicklung sind in diesen Kombinationen eine extreme Rarität geworden. Ein anderer Grund sind Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Besonders bei Patient*innen, die älter werden. Es kann vorkommen, dass wegen der Behandlung typischer Altersbeschwerden Begleitmedikationen erfolgen, die vielleicht nicht durch mich als Hausarzt verschrieben werden und die sich nicht mit den HIV-Medikamenten vertragen. In einem Notfall nach einem Herzinfarkt wird häufig ein Statin verordnet. Wenn die HIV-Therapie dann noch einen Booster enthält – das ist ein Enzymblocker, der die Wirkung des Medikamentes verstärkt, kann es lebensgefährlich werden. Dieses Risiko kann der vorsorgliche Therapiewechsel deutlich reduzieren.

Welche Rolle spielt für Sie die Robustheit der antiretroviralen Therapie bzw. auf welche Eigenschaften der Kombinationstherapie schauen Sie besonders, wenn Sie sie Ihren Patient*innen zum Wechsel vorschlagen?

Die antivirale Potenz und die Resistenzbarriere stehen an erster Stelle. Ich würde einen Patienten heute nicht auf ein in diesen Punkten wackeliges Regime umstellen. Es muss Studien dazu geben, die keine oder nur äußerst vereinzelte Resistenzbildungen nachweisen. Zweitens gucke ich auf die Verträglichkeit. Es gibt immer Einzelne, die das ein oder andere nicht vertragen, auch wenn alle Therapien heute in der Regel gut verträglich sind. Und der dritte wichtige Faktor: Es muss einfach einzunehmen sein. Tageszeitunabhängig, nahrungsunabhängig und mit möglichst niedrigem Wechselwirkungspotenzial.

*Interview: Christian Knuth

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