Drehbuchautor, Schauspieler, Maler und Comedian Taika Waititi

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Foto: Searchlight / Disney, Sebastian Gabsch

Geboren 1975 im neuseeländischen Wellington, bereits 2005 für einen Kurzfilm bei den Oscars nominiert. Berühmt wurde er als Regisseur von schrägen Komödien wie „Wo die wilden Menschen jagen“ und „5 Zimmer Küche Sarg“, in denen er zum Teil auch als Schauspieler mit von der Partie war. Inzwischen hat er mit zwei „Thor“-Abenteuern längst auch Hollywood erobert und wurde für „Jojo Rabbit“ mit dem Drehbuch-Oscar ausgezeichnet. Nachdem er zuletzt an gefeierten Serien wie „Reservation Dogs“ oder „Our Flag Means Death“ beteiligt war, kommt am 4. Januar mit „Next Goal Wins“ nun der nächste von ihm inszenierte Film in die Kinos.

Mr. Waititi, Ihr neuer Film „Next Goal Wins“ die größtenteils wahre Geschichte eines Fußballtrainers, der die Nationalmannschaft von Amerikanisch-Samoa auf Vordermann bringen soll. Am Ende geht es dann aber doch nur sehr bedingt um Fußball, oder? Gott sei Dank! Sportfilme interessieren mich nämlich wirklich kein bisschen. Allerdings musste ich beim Gucken des Dokumentarfilms, auf dem „Next Goal Wins“ nun basiert, spontan an die Komödie „Cool Runnings“ aus den 1990er-Jahren denken, über die Bobfahrer aus Jamaika. Den mochte ich damals echt gerne.

Vermutlich ist der allerdings nicht so gut gealtert, oder? Naja, der Blick auf Jamaika ist schon ziemlich weiß und westlich. Ehrlich gesagt ist er allerdings als Film heute um einiges erträglicher als andere, die ich früher toll fand. Ich wollte mit meinen Kindern mal „Die Goonies“ gucken, das ging gar nicht. Noch unerträglicher ist „Die unendliche Geschichte“. Was für ein schlechter Film. Aber um auf „Next Goal Wins“ zurückzukommen: Fußball war das letzte, was mich interessierte. Schon alleine, weil der Sport nichts ist, womit ich aufgewachsen bin. Deswegen habe ich mich in der Geschichte auf die Sachen konzentriert, die mir wirklich etwas bedeuten, also in diesem Fall Trauer, Verlust, Familie und ganz einfach Menschen.

Gerade Familien beziehungsweise Wahlfamilien ziehen sich als Thema ja durch viele Ihrer Filme! Ebenso Väter oder alternativ abwesende Väter. Diese Themen sind durchaus eine kleine Obsession von mir. Deswegen habe ich mich zum Beispiel in „Next Goal Wins“ auch ein wenig von der Realität entfernt. Die Beziehung, die sich zwischen dem schlecht gelaunten Coach Thomas und der trans Spielerin Jaiyah entwickelt, war zum Beispiel echt nicht annähernd so intensiv wie wir sie nun darstellen. Ich fand das einfach erzählerisch spannend, dass er seine eigene Tochter durch einen Unfall verloren hat und nun ausgerechnet in dieser männlich konnotierten Fußball-Welt am anderen Ende der Welt eine weibliche Beziehungsperson findet.

Foto: Hilary Bronwyn Gayle / Searchlight Pictures / Disney

Gerade im Gegenüber von Thomas und Jaiyah kommt auch wieder das Motiv der Dekonstruktion konventioneller Männlichkeit ins Spiel. Oder ist das eine Überinterpretation? Ich würde eher sagen, dass es mich interessiert, klassische Filmnarrative und vor allem Helden zu dekonstruieren. Da spiele ich gerne mit Klischees, sei es in dem ich sie durch den Kakao ziehe oder sie auf den Kopf stelle. Im Fall von Thomas Rongen wollte ich mich vor allem an der alten Idee des „white saviors“ abarbeiten, also dem weißen Mann, der irgendwo ankommt und den Menschen vor Ort erstmal zeigt, wie man es richtig macht.

In der Serie „Our Flag Means Death“ (zu sehen bei RTL+), an der Sie als Darsteller und Produzent beteiligt sind, gehen Sie diesbezüglich noch ein bisschen weiter … Da war die erste Idee damals vor allem, uns wirklich lustig zu machen über das fast schon mythische Konzept des Piraten und alles, was damit zusammenhängt. All diese melodramatischen Freibeuter, die sich viel zu ernst und wichtig nehmen, waren einfach reif für eine echte Parodie. Und das ist die Serie ja auch geworden. Nur dass wir dann im Spiel mit diesen ganzen altbekannten Konventionen plötzlich doch auf etwas vollkommen anderes stießen und es am Ende eine wunderschöne Liebegeschichte zwischen zwei Männern zu erzählen gab.

Um noch einmal auf „Next Goal Wins“ zurückzukommen: legten Sie im Fall von Jaiyah Wert auf authentisches Casting? Unbedingt. Etwas anderes wäre nicht in Frage gekommen und hätte man mir auch nicht durchgehen lassen. Zu Recht, denn die Zeiten sind vorbei, in denen man Schauspieler*innen mal eben eine andere Hautfarbe verpasst oder Männer Frauen spielen können, ohne dass sich jemand daran stört. Deswegen wollte ich unbedingt eine samoanische Frau finden, die sowohl trans als auch Fa’afafine (in der polynesischen Kultur eine Person, die biologisch als Mann geboren ist, aber als Frau erzogen wurde, Anm. d. Redaktion) ist und außerdem Fußball genauso wie Schauspielen kann. Letzteres alleine ist immer schon schwierig genug! Meine Auswahl war entsprechend dieses Mal nicht riesig. Aber es eine riesige Erleichterung, dass wir mit Kaimana dann tatsächlich die perfekte Besetzung fanden.

Und was machte Michael Fassbender zum idealen Hauptdarsteller? Für meinen Geschmack sieht man ihn viel zu selten in warmherzigen oder gar lustigen Rollen, was ich vor allem deswegen so schade finde, weil er in echt so witzig sein kann. Tatsächlich trägt er aber eben auch ein tiefes Gefühl von Traurigkeit mit sich, das in vielen seiner Filmfiguren ganz wunderbar zum Vorschein kommt. Für „Next Goal Wins“ suchte ich genau diesen Schmerz, der glaubhaft spürbar ist, ohne alles zu überlagern. Dass war für diese Rolle unerlässlich, und ich bin wirklich fasziniert davon, wie Michael das spielt, obwohl er im realen Leben so unglaublich positiv und glücklich ist. Der Kerl hat schließlich alles, sieht fantastisch aus, hat eine erfolgreiche Karriere, ist mit einer wunderschönen Schauspielerin verheiratet, lebt in Portugal und fährt Autorennen. Besser geht’s ja eigentlich nicht.

*Interview: Patrick Heidmann

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