Wir gratulieren – Interview mit Lukas Röder

by

Foto: A. Rau

Der 1993 in Starnberg geborene Regisseur ist Student an der Hochschule für Fernsehen, schon seit 2017 ist er immer wieder erfolgreich bei den Hofer Filmtagen dabei; 2021 wurde er für seinen Film „Gehirntattoo“ mit dem „Hofer Goldpreis“ ausgezeichnet. Wir fragten nach. 

Querdenker überall, Verschwörungstheorien … kamst du dadurch auf das Thema Schizophrenie?

Nein, das hatte damit nichts zu tun. Ich bin vor einigen Jahren selbst an einer schweren Psychose erkrankt und war lange in der Klinik. Seitdem setze ich mich filmisch mit psychischen Erkrankungen und Psychodrama auseinander. Mir ist es wichtig, darüber Filme zu machen, um einen Dialog anzustoßen.

Im Film stellst du die Frage, warum ihn, Hans, niemand streichelt. Wie ist das gemeint?

Ich glaube nicht, dass streicheln heilt, aber streicheln tut gut. Streicheln ist besser als Angst oder Abstand. Mir geht es mit dem Film darum, eine gewisse Lockerheit im Umgang mit psychischen Erkrankungen herzustellen. Ist man erkrankt, muss man sich immer Gedanken machen: Wird die Person, der ich es erzähle, verstehen, oder wird sie auf Abstand gehen? Warum ihn niemand streichelt, soll eine kleine Provokation sein. Warum Angst haben, wenn wir auch streicheln könnten? Das ist doch die bessere Option. 

Warum soll man sich freuen, wenn jemand eine psychische Erkrankung hat? 

Mir geht es darum, den Status Quo in Frage zu stellen. Eine Erkrankung ist hart und schwer, aber es hilft keinem Betroffenen, wenn er oder sie stigmatisiert oder ausgegrenzt wird. Selbst erkrankt kann ich sagen: es würde es mir helfen, wenn Menschen meinen Symptomen mit Offenheit begegnen würden. Warum sich nicht darüber freuen? Das ist doch tausendmal besser als die Menschen auszugrenzen. Ich wünsche mir einfach eine bessere Integrierung von Erkrankung und Erkrankten. Sie sind Teil unseres Lebens und Freude über das Verrückte ist für mich eine Option. 

Foto: A. Rau

Vielfalt feiern, psychische Erkrankungen als Bereicherung erleben. Klingt gut. Doch Menschen, die daran leiden, erzählen von wahnsinniger Angst, sprechenden Wänden, Stimmen, die Befehle geben und auch Panik, beobachtet zu werden. Ist da nicht das Leid der Erkrankten vergessen?

Nein, es ist genau das Gegenteil. Ich habe das alles selbst erlebt, z. B. Angst und Panik vor meinen Vorhängen gehabt, so sehr, dass ich nachts auf die Straße gerannt bin, weil ich dachte, dass ich sterbe. Diese Erkrankungen sind mächtig, können aber auch sehr komisch sein. Mir haben Humor und eine gewisse Ironie gegenüber der Erkrankung geholfen, Distanz zu meinen Symptomen zu finden. Ich glaube, psychische Erkrankung zu feiern, ist eben nicht, das Leid vergessen, sondern das Leid respektieren. Menschen mit einer Erkrankung als Bereicherung zu sehen, macht es diesen leichter, glaube ich. Diese wahnsinnig große soziale Hürde, das Stigma, die Ausgrenzung, schadet und tut weh. Immer, wenn mir Leute aufgrund meiner Erkrankung mit offenen Armen entgegentreten, tut das gut und ist auch heilsam. Man möchte einfach nicht anders gesehen werden. Psychische Erkrankung als Bereicherung zu sehen würde, glaube ich, helfen.

Rosa von Praunheim und Oliver Sechting waren sehr angetan von deinem Film. Schmeichelt dir das? 

Ja, das schmeichelt mir sehr. Ich liebe und respektiere die beiden enorm und schaue zu ihnen auf. So ein Lob ist dann ganz besonders. 

Was wünschst du dir für den Film?

Ich wünsche mir, dass er einen Verleih findet und im Kino gezeigt werden kann. Bei den Hofer Filmtagen haben Leute im Publikum geweint und gestritten. Ich habe gemerkt, der Film erfüllt meine Hoffnung und erzeugt einen Diskurs. Genau das wünsche ich mir und deswegen möchte ich so viele Menschen erreichen wie möglich.   

*Interview: Michael Rädel

www.hofer-filmtage.com

Back to topbutton