INTERVIEW - FRANK MIERCKE von INKTOON

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So richtig begonnen hat der Berliner Zeichner erst 2013, doch seine Kunst, „illusionistische Illustrationen, karierte Karikaturen und animalische Animationen“, kommt so gut an, dass er schon jetzt mehrere Ausstellungen vorweisen kann und – und das ist nicht selbstverständlich – schon viele Werke auch ins Ausland verkaufen konnte. Wir trafen den sportiven Kreativen im Berliner Künstlerbezirk Friedrichshain.

WIE GING ES LOS MIT DER KUNST? Als ich in der dritten Klasse einen Malwettbewerb gewonnen habe. Eigentlich habe ich gar nicht bewusst an dem Wettbewerb teilgenommen, doch mein Lehrer reichte mein Bild ein und schwups hatte ich neue Buntstifte. Aber eigentlich sollte ich zum Sport erzogen werden, mit vier Jahren wurde ich gesichtet: Leistungssport auf der Kinder- und Jugendsportschule als Kunstturner. Mit der Wende war der Leistungssport dann vorbei. Ich war in meiner gesundheitlichen Pause, aber Trainer im Jugend- und Damenbereich. Als Trainer beim SSL VORSPIEL hatte ich dann mit den Herren ebenfalls zu tun. Als Küken der Truppe eine Herausforderung. Mit 27 war denn endgültig mit der Turnerei Schluss. Ich habe aber schon für den Jugendsportverein gezeichnet: Titelblätter und Veranstaltungsplakate der Vereinszeitung. Ich hatte auch ein Logo und eine Figur dafür entwickelt, welches (damals) jedoch kein Gehör fand. Während dieser Zeit habe ich entdeckt, dass ich ja auch andere Dinge kann, und habe das Malen und Zeichnen für mich entdeckt. Jetzt arbeite ich als Zeichner, Dekorateur, Pädagoge wollte Kunst und Sport studieren, aber die UdK sah in mir kein Talent. Nach zehn Bewerbungen hab ich es dann geglaubt. Also Sport/Chemie, und danach Physiotherapeut. Mit dem Physio hab ich die Anatomie richtig verinnerlicht und meinem Prof sogar seine neu definierten Muskelgruppen komplett illustriert. Mein Direktor und Neurologielehrer war der Erste, den ich karikiert habe. Ihm verdanke ich sozusagen den Mut, jemanden im Bild zu erfassen und es auch zu zeigen.

EINE RÜCKBESINNUNG? Nein, ich hab das neu entdeckt. Es war wohl immer da, aber erst mit der Wende konnte mein kindlicher Geist erwachen, mit Trickfilmen, Comics halt in Bildern einzutauchen und Details zu entdecken. Das hat mich dann nicht mehr losgelassen. Im Unterricht hab ich mehr gezeichnet, als streberhaft mitzuarbeiten. Als man mir das einmal verboten hatte, schlief ich permanent ein und die Leistungen gingen nach unten. Daher durfte ich wieder malen, und die Hausaufgabenhefte wurden voll! (grinst) Meine Fantasie begann richtig zu blühen!

HAST DU DIR ALLES SELBST BEIGEBRACHT? Ja, aber ich habe mit Büchern über Anatomie und Darstellungsformen geschummelt (äh, mich inspirieren lassen).

WAS INSPIRIERT DICH? Eher das gesprochene Wort, nicht unbedingt eine plakative Situation. Am meisten inspirieren mich Hörgeschichten. Ich höre etwas und die Bilder, die Ideen ploppen auf. Ich bin ein hörspielgeprägtes Kind: auf dem Weg zur Schule oder zum Sport und ganz besonders beim Malen. Kürzlich hat mir ein Freund eine wunderbare Geschichte geschickt, die ich mir laut vorgelesen habe, und dann hatte ich immer mehr Bilder im Kopf, die ich nun nach und nach umsetze. Ich möchte seine Kunstmär mit meinen Illustrationen ehren, wenn ich das so sagen darf.

DU SETZT GERNE SPRICHWÖRTER UM. Ja, das ist mein Steckenpferd geworden. Deswegen auch der umschreibende Titel: REDEanWENDUNG. Ich lasse den Betrachter gerne rätseln, welches Sprichwort gemeint ist. Die Auflösung steht aber immer links unten im Bild in Spiegelschrift und auf dem Kopf. Man soll es ja nicht zu leicht haben mit dem Schummeln. Das finde ich allgemein das Spannende an der modernen Kunst, dass sie Fragen aufwirft. Mein erstes Erlebnis in diesem Zusammenhang war, als ich als Schüler vor einem riesigen, fast verschlingenden grauen Bild saß und grübelte, was der Künstler mir damit sagen will. Und das ist ja genau das, was der Künstler will: zum Nachdenken anregen!

*Interview: Michael Rädel WWW.INKTOON.DE


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