Lianne La Havas’ drittes Werk

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Foto: Warner Music

Sich hinter einer coolen Fassade zu verstecken, wäre für Lianne La Havas eine Todsünde. Wenn sie Songs schreibt, wird es emotional – daran hat sich auch auf ihrem dritten Album „Lianne La Havas“ nichts geändert. Da analysiert sie die unterschiedlichen Phasen einer Beziehung. Auf das Kribbeln im Bauch folgen allmählich erste Zweifel an der Partnerschaft, schließlich bleibt nur eins: die Trennung.

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Die Frage, ob diese Geschichten aus dem Leben der Britin gegriffen sind, kann man sich eigentlich sparen. Für sie sind persönliche Texte fast eine Form von Selbsttherapie. Die Sängerin lacht. Ja, ja, sie sei daran interessiert, tief in sich zu gehen. In der Hoffnung, an dieser Innenschau als Mensch zu wachsen. Bloß kommen solch kontemplative Momente in der Hektik des Alltags meist zu kurz. Darum beschloss Lianne La Havas, nach einem Auftritt auf der Insel Java ganz allein Urlaub auf Bali zu machen. Sie entspannte sich, sie zeichnete oft oder hing einfach ihren Gedanken nach, dabei entwickelten sich etliche neue Ideen.

Die arbeitete die 30-Jährige später im Studio mit ihrer eigenen Band aus – mal in London, mal in New York. So entstand eine komplett selbst produzierte Platte. Wer sie hört, kommt Lianne La Havas sehr nahe: „Die Lieder sind intim. Das bin wirklich ich.“ Dazu würde natürlich kein opulenter Sound passen. Also ließ die Musikerin alles Überflüssige weg. Mit der Ballade „Paper Thin“ hat sie ihr Gespür für akustische Klänge perfektioniert. Auch das melancholische „Courage“ präsentiert sich recht minimalistisch und erzählt von einem Moment der Verzweiflung. „Nach einer Trennung fängt man automatisch an zu grübeln“, sagt Lianne La Havas. „Daraus kann extreme Einsamkeit resultieren.“ Um diesen Tiefpunkt zu überwinden, braucht es Mut: „Nur wer sich seinen Problemen stellt, sieht irgendwann ein Licht am Ende des Tunnels.“

Foto: Warner Music

Lianne La Havas gelang es jedenfalls, sich aus ihrem schwarzen Loch zu befreien. Mehr noch: Sie hat den Glauben an die Liebe nie verloren und ist wieder liiert. Ohne ihren Partner würde sie wohl die Pandemie, die ihr Leben ziemlich durcheinandergewirbelt hat, noch ein bisschen schwerer nehmen. Statt zu touren, gibt sie nun daheim in London Telefon-Interviews. „Wir leben in einer seltsamen Phase“, resümiert sie. „Aber vielleicht resultiert daraus ja etwas für eine positive Zukunft mit mehr Wirgefühl.“

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Auf Gemeinschaftssinn zu setzen, das findet Lianne La Havas ebenso wichtig wie das Streben nach Selbstakzeptanz: „Wenn sich jemand in seiner eigenen Haut unwohl fühlt, kann er gar nicht so richtig die Liebe einer anderen Person annehmen.“ Des Weiteren sei es für eine Beziehung essenziell, dass die Partner die gleichen Werte hätten: „Monogamie und Polygamie lassen sich definitiv nicht in Einklang bringen.“

Lianne La Havas selbst hält es in Liebesdingen eher mit der Tradition: „Ich mag Zweierbeziehungen und möchte lediglich mit einem Mann zusammen sein.“ Einen potenziellen Lebensgefährten würde sie niemals im Internet suchen: „Dating-Apps sind nichts für mich.“ Sie ist eben ziemlich oldschool – auch als Musikerin. Permanent einem Trend beziehungsweise dem nächsten Hit hinterherzuhecheln, wäre nichts für sie. Lieber verlässt sie sich auf den Zauber ihrer hinreißenden Stimme, die sich über einen Mix aus Soul und Pop legt. Auf ihrem jüngsten Werk ist kein Song, mit dem Lianne La Havas nicht hundertprozentig zufrieden wäre. Schade nur, dass sie ihr Album nicht mehr ihrem Mentor Prince vorspielen konnte: „Ich glaube, er hat sich von mir immer eine Platte gewünscht, auf die ich aus vollem Herzen stolz bin.“ *Dagmar Leischow

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