Mark Ronson: Das traurigste Album der Welt?

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Foto: Sony Music

Als Mark sein neues Album „Late Night Feelings“ schrieb, ging es ihm beschissen. Ein starkes Stück ungewohnt moderner Popmusik ist ihm trotzdem gelungen.

Er guckt aber auch schon so traurig. Wie ein herrenloses, vom Leben gebeuteltes Hündchen sitzt Mark Ronson auf einem Sofa des, wenn man mal genauer hinguckt, ganz schön abgewohnten Hotels Adlon und lässt die Augen, ja das ganze Gesicht, ja eigentlich die gesamte Person so ein bisschen herunterhängen. Körperspannung geht anders. Vielleicht ist er auch nur müde vom langen Flug, von der Modenschau in Mailand, der er zuvor beiwohnte, von diesem anstrengenden DJ/Produzenten/Jetsetter-Leben als solchem, jedenfalls: Wenn man Mark Ronson, diesem mit 43 Jahren immer noch schönen, vollschwarzhaarigen und im Gesicht filigran geschnittenen Mann eines abnimmt, dann ein Album voll mit traurigen, tieftraurigen und todtraurigen Liebeskummerliedern, von dem er behauptet, es sei sein bisher persönlichstes und bestes. Ein Album also wie „Late Night Feelings“.

Foto: Sony Music/Stephanie Sian Smit

„Ich hoffe, es zieht dich nicht zu sehr runter“, sagt Ronson und macht einen Laut, den man als selbstsarkastisches, kurzes Auflachen beschreiben könnte. Grund für Mark Ronsons Schaumbad in der Melancholie ist vor allem seine Scheidung von der Französin Josephine de La Baume, Schauspielerin und Model von Beruf, nach sechs Jahren Ehe. „Ich habe das nicht richtig kommen sehen“, blickt Mark auf die Trennung Anfang 2017 zurück, […] für die er übrigens die Hauptverantwortung (zu viel an die Arbeit gedacht, zu sehr die Zweisamkeit vernachlässigt, man kennt das) übernimmt. „Eigentlich arbeitete ich an einem ganz anderen Album, aber als sich unsere Ehe aufgelöst hatte, kamen nur noch diese traurigen, desillusionierten Songs dabei heraus, sobald ich mich ans Klavier setzte oder die Gitarre nahm.“ Nicht, dass die Musik selbst einen niederschlägt. „Late Night Feelings“ ist bei Weitem nicht frei von Upbeat-Stücken, man kann absolut dazu tanzen. Auch sind die neuen Songs die modernsten, will sagen: un-retrohaftesten, die Ronson wohl je aufgenommen hat, was auch an seiner Kollaboration mit Diplo – gemeinsam nennen sie sich Silk City – zusammenhängt. „Ich wollte mich einem zeitgemäßeren Sound nicht verschließen. Meine Musik ist halt beeinflusst von den 23 Jahren, die ich schon in Nachtklubs auflege“, so der in London geborene, in New York in jeder Hinsicht groß gewordene und seit drei Jahren wegen der Arbeit (mit Bruno Mars oder den Queens Of The Stone Age) in Los Angeles lebende und sich mit „Grünkohl uund gesunden Säften“ allmählich anfreundende Ronson.

Aber die Texte wie der von „Spinning“, der von „Don’t Leave Me Lonely“ oder auch jener der vorab schon erfolgreichen Single „Nothing Breaks Like A Heart“, gesungen von Miley Cyrus, offenbaren tiefe Verzweiflung, Einsamkeit und Unsicherheit. Dabei ist es nicht Marks Stimme, die man hört, sondern unter anderem jene von Yebba, Lykke Li oder Alicia Keys. „Ich habe mir Sängerinnen ausgesucht, die meine Emotionen verstehen und umsetzen konnten“, sagt er. Dass ausnahmslos Frauen auf „Late Night Feelings“ singen, ist freilich ein weiterer Zufall.  „Künstlerinnen haben in meinem Leben eine traditionell hohe Präsenz, ich fühle mich Frauen einfach zugeneigt.“ Ronson produzierte bekanntlich „Back to Black“ von Amy Winehouse, das „Joanne“-Album sowie die „Shallow“-Single von Lady Gaga. „Ich kann gut mit Frauen. Meine Mutter, eine wunderbar exzentrische, grandiose, gefühlsmäßig komplizierte Person, ist bis heute ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben.“ Auch das Verhältnis zu seinen zwei Jahre jüngeren Zwillingsschwestern – Samantha und Charlotte – ist sehr eng.

Die erschöpften Augen wandern ein wenig umher, ohne irgendwo, auch nicht im Gesicht des Gesprächspartners, wirklich Halt zu finden. Nun erzählt Mark Ronson ausführlich, wie sehr er sich immer über alles sorge und nie richtig glücklich sei, zumindest nicht dauerhaft. Nach dem Monstererfolg mit „Uptown Funk“ mit Bruno Mars? Dem Grammy für „Shallow“? „Habe ich vielleicht mal eine Nacht Champagner getrunken und gefeiert. Am nächsten Tag war die Realität wieder da.“ Vielleicht sei seine Musik deshalb so gut, weil er immer so viel hadere und grüble, dennoch hat sich Mark seit einiger Zeit einem Hobby zur Lebenslagenaufhellung verschrieben. Eigentlich zwei. Er meditiert fast jeden Morgen für mindestens zwanzig Minuten. „Und ich habe zwei mittelgroße und wirklich von Natur aus komische Hunde adoptiert.“ Auch eine Freundin hat er wieder, und wer weiß, vielleicht ist auf dem nächsten Album das Discokugelherz ja nicht mehr zerbrochen, sondern wieder verheilt. „Ich habe keine Ahnung“, sagt Mark Ronson, „aber mir gefällt der Gedanke.“ *Steffen Rüth

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