Body Positivity: Was Mann zeigt

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Foto: Raül Santín

Wir chatteten mit dem Musiker über ein gutes Körpergefühl und darüber, ihn zu zeigen.

Was bedeutet für dich Body Positivity? „Body Positivity“ bedeutet für mich als Mental-Health-Aktivisten eigentlich noch so viel mehr als nur die Zufriedenheit in Bezug auf die Optik meines Körpers. Ich bin durch Blinddarm- und Darmverschluss-Not-OP ein bisschen vernarbt am Bauchnabel und so. Des Weiteren war ich, bis ich 16 war, ein leicht adipöses Kind bei einem Körpergewicht von 95 kg bei 1,80-m-Größe. Ich hatte einen riesigen Hintern und Pickel und war im Kleidungsstil damals noch Nullkommanull auf einem guten Pfad im Leben. Dann lernte ich einen Franzosen kennen, verliebte mich das erste Mal Hals über Kopf in einen anderen Mann und ab da purzelten 30 Kilogramm in wenigen Monaten von mir runter. Und ich glaube, jeder, der ebenfalls viel Gewicht verloren hat, kennt vermutlich das Gefühl, dass man den Ist-Zustand von dort an nicht zwangsläufig in sich aufnimmt, bzw. annimmt, weil das Herz, das man in sich trägt, sowie die Persönlichkeit, das Gemüt, die Manieren, die Bescheidenheit, die Höflichkeit immer die des „Dicken Ich’s“ bleiben. Das heißt, ich bin jetzt seit 16 Jahren schlank und beinah athletisch gebaut, wusste mit Komplimenten in Bezug auf Optik aber noch nie wirklich etwas anzufangen. Auf dem Weg der Selbstfindung haben hypersensible Menschen wie ich sogar teilweise das Gefühl, dass man veräppelt wird bei Komplimenten. Ich glaube, man nennt das auch „Hochstaplersyndrom“ – im Sinne von: „Ja, bald fliegt das doch eh auf, dass ich doch voll der Übergewichtige, weniger Hübsche bin …“. Und wenn man das auf dem Weg irgendwann ablegen kann, hat man ganz viel Wertvolles für die eigene Entwicklung zurückgewonnen. Ich bin gerade am 4. Dezember 32 Jahre alt geworden und kann eigentlich erst seit ganz Kurzem durchgehend stolz auf mich sein und allem voran kompromisslos ich selbst sein. 

Foto: privé

Fällt es dir schwer, dich zu zeigen? Nein, das fällt mir Gott sei Dank nicht schwer. „Sich zu zeigen“ ist für mich völlig anders konnotiert als für die meisten Leute. Das, was ich mit meinen Songtexten, der Musik, der visuellen Seite jeder Veröffentlichung und der dazugehörigen Promostrecke nach außen trage – DAS ist für mich das eigentliche „Mich Zeigen“. Über seine Gefühle, Erfahrungen und Ängste offen zu singen erfordert, finde ich, wirklich Eier. Das ist meines Erachtens auch echt kein Job für, sagen wir „überangepasste“, „gefallsüchtige“ Leute, weil ich denke, dass es bei denen einen Negativkommentar braucht, um ein ganzes Erdbeben auf ihrem Fundament auszulösen. Künstler zu sein bedeutet auch, finde ich, allem voran eine absolute „Mir doch egal“-Attitude an den Tag zu legen. Vielmehr ist das graphische Nacktsein in Form von Halbakt- und Aktfotografien eine für mich heilende und therapeutische Maßnahme. Denn als Künstler entscheide ich, trage die Verantwortung und habe dadurch aber auch ein gewisses Maß an Kontrolle darüber zurückerlangt, was von mir potenziell „im Umlauf“ ist und – womit ich nun mal leben muss – was dementsprechend „geleaked“ werden könnte. Man steigert sich auf dem Weg und zeigt mit jedem Bild wieder ein bisschen mehr. Meine „Musikkarriere“, wie wir sie heute kennen, fing im Sommer 2019 an und war auch dort schon recht freizügig konnotiert, wobei die Anfänge zugegebenermaßen schwierig waren. Da ging es mir auch ehrlich gesagt viel ums Provozieren und Anecken und möglichst „Eltern unfreundlichen“ Content zu erstellen. Simulierte Sexszenen im Musikvideo und soʼn Quatsch eben. Hier und heute bin ich ein in drei Jahren doch recht gereifter Mann und heute bin ich bereit, auch untenrum die Hüllen fallenzulassen. Und darin sehe ich keinen wirklichen Nachteil in Hinblick auf die Reputation. Ich bin Robin, ich bin 32 und zeige der Welt heute – von mir selbst aus – meinen Penis. Ich finde diese Fotos mega schön und sehe da nichts, wofür ich mich irgendwie schämen oder ducken müsste, im Gegenteil: Ich genieße das Privileg, mein bestes Stück zu meinen eigenen Bedingungen zu zeigen. Und wenn man das für sich verstanden hat, hat man wieder ordentlich an positivem Fundament aufgestockt, auf dem man in Zukunft dann noch viel tollere Sachen erreichen kann.

Worauf freust du dich im Frühling? Das Wetter, die Leute begraben ihre generische deutsche „Winter-/Nachkriegsstimmung“, wollen nicht mehr direkt wegen jedem Haar in der Suppe gleich den Anwalt einschalten… man kann sich wieder richtig in der Natur entfalten, mit Freunden bis spät in die Nacht im Shirt oder dünner Jacke draußen neue Erinnerungen schaffen… und für mich persönlich hoffe ich auf die Möglichkeit zu ganz viel Sex unter freiem Himmel, mit einem Menschen, der mich liebt, und den ich lieben kann, weil ich mich selbst auch mittlerweile wieder richtig gut leiden kann. 

*Interview: Michael Rädel

www.instagram.com/boahrobin

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