Interview: Harald Glööckler „Nicht SO schwul wie der. Ja geht’s noch?“

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Der Designer und Künstler ist weltweit bekannt. Für uns fand der queere Star an einem Wintermontag Zeit für ein stimmungsaufhellendes, entspanntes Telefonat.

Man glaubt es kaum, aber auch innerhalb der LGBTIQ*-Community gibt es Menschen, die sich an manchen Tagen an Ihrem Auftreten stören. Warum provoziert Queerness immer noch?

Warum folgen Menschen einem Menschen, den sie nicht mögen? Da geht es ja schon mal los. Mir ist es egal, wie meine Mitmenschen rumlaufen. Wenn eine ihren BH über dem Pullover tragen will, soll sie es tun, ich bewerte das nicht – auch nicht rote oder grüne Haare. Wir sind alle Individuen, die sich anders ausdrücken und das auch sollen. Das Einzige, wo ich mal etwas sagen würde, ist bei der Körperpflege, wenn eine oder einer sich nicht mehr pflegt, da würde ich dann schon anmerken: Wäre es nicht an der Zeit, dich mal wieder zu waschen? Viele haben eine verzerrte Selbstwahrnehmung. Wir alle altern, aber was bedeutet denn in Würde altern? Wer legt das WIE fest? Wir sind geistige Wesen, die eine körperliche Zeit erleben, und da kann man den Körper renovieren wie ein Haus! Ich lebe seit 40 Jahren mit der Gay-Szene, gerade da erlebe ich viel Intoleranz. Da höre ich: Ich bin ja auch schwul, aber nicht SO schwul wie der. Ja geht’s noch? Wie kann man von außen Toleranz erwarten, wenn man innerhalb der Szene nicht tolerant ist. Aber am Ende des Tages bekomme ich so viele Nachrichten von jungen Menschen, so ab 15 Jahren, die sich für mein Auftreten bedanken, das ihnen Mut machte, so zu sein, wie sie sind. Toleranz braucht auch einen gewissen Grad an Intelligenz und die nehmen nicht alle in Anspruch. (kichert)

Sie sind ein Frühaufsteher. Wie motivieren Sie sich jeden Tag, fleißig zu sein?

Zum einen ist da schon mal mein Hund, der raus will! Aber: Wenn man sich erst motivieren muss … Das gibt es bei mir nicht. Wenn man sich etwas vornimmt, etwas geplant hat, dann fällt einem das Aufstehen leicht. Ich diskutiere nicht mit mir. Das ist ja oft das Problem vieler Menschen, dass sie ständig ihre Entscheidungen hinterfragen, hadern, zögern.   

Viele Menschen fühlen sich heute einsam, wie bekämpfen Sie solche Gefühle?

Ach, verbunden sind wir eigentlich nicht. Man befindet sich auf Social Media in einem Pool, aber verbunden ist man nicht. Irgendwie ist das doch ein voyeuristischer Kram. Natürlich gibt es aber auch dort ein paar interessante Kontakte, aber das sind auch in der realen Welt interessante Menschen, die machen keine Show. Ich sehe aus, wie auf Instagram, aber manche sehen auf Instagram aus wie Sonnenschein und live wie ein Gewitter. (lächelt) Das große Problem ist das ständige Vergleichen, dieser Wettbewerb, der Neid erzeugt. Vergleichen macht keinen Sinn! Man muss sich auf sich konzentrieren, sich selbst gut genug sein. Unsere Welt ist emotionslos geworden, manchmal denke ich mir, das Einzige, was immer funktioniert, ist Neid.

Foto: Selfie

Thema „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ Warum?

Zum Teil liegt es an Corona, am Lockdown. Ich saß 2020 in meinem Garten und dachte mir: Jetzt sitze ich hier, sauber weggesperrt, dabei brauche ich Öffentlichkeit, etwas zu tun. Ich bin nicht gerne in der Defensive, ich brauche ein Projekt! Dann kam die zweite Anfrage für den Dschungel. Übrigens die zweite, die erste kam 2010 für die englische Variante, aber da hatte ich keine Zeit. Und damals auch ein paar Einwände …

Aber wovor sollte ich da Angst haben? Ich bin ein Kind vom Land, da hat man keine Angst vor Ratten. Meine Tante hatte eine Mühle, da lagen manchmal sterbende Ratten rum, wenn man, wie damals üblich, mit Gift gegen sie vorgegangen ist. Furchtbar.

Ich habe mir, als ich das Buch „Prince Pompöös“ schrieb, überlegt: Was hast du schon alles erlebt? Was willst du noch erleben? Ich predige den Leuten immer, ihre Komfortzone zu verlassen, also war ich mal dran! An sich finde ich dieses Dschungelcamp eine tolle Doku. Manchmal waren die Protagonisten nicht immer … Aber ich kann ja auch nicht das Opernhaus oder ein Restaurant boykottieren, nur weil da mal Menschen sind, die sich nicht benehmen können. Ohne Lockdown wäre ich nicht rein ins Dschungelcamp! Zusammen mit RTL habe ich jetzt gerade eine Tapetenkollektion entworfen, auch dank des Camps. Ich bin raus aus der Defensive! 

Worauf freuen Sie sich gerade?

Gerade natürlich auf die Weihnachtszeit. Zudem arbeite ich gerade an einem Bildband, der im März auf der Buchmesse in Leipzig präsentiert werden soll. Da werden auch Bilder von mir von Henning von Berg zu sehen sein. Wir kennen uns schon sehr lange und ich sagte zu ihm: Lange muss man nicht mehr warten, dann ist der Zug abgefahren! (kichert) Also darauf freue ich mich. Und auf das Dschungelcamp. Auf meine Luxury Tiny Houses – die ich gerade fertig entworfen habe. Und jeden Tag über all die Leute, die ich treffe. Ich lasse mich jeden Tag NEU auf Leute und Situationen ein. Ich gehe nicht mit Gedanken von gestern auf Leute zu. Wenn Sie mir gestern ein Ave Maria singen und es ist fürchterlich, würde ich mich trotzdem darauf einlassen, dass Sie es noch mal singen. Denn heute habe ich es ja noch nicht von Ihnen gehört! (lacht)

*Interview: Michael Rädel

www.haraldgloeoeckler.de


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