NACHGEFRAGT: Jochen Schropp im Interview

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Foto: N. Schwarz

Foto: N. Schwarz

Sein Coming-out 2018 sorgte außerhalb der Szene für Aufsehen, minderte aber nicht seine Beliebtheit in der breiten Öffentlichkeit. Jochen Schropp war und ist regelmäßig bei „Big Brother“, „Sat.1-Frühstücksfernsehen“, „The X Factor“ sowie Komödien wie „Popp Dich schlank!“ und Serien wie „Polizeiruf 110“ zu erleben. Gerade veröffentlichte er sein Buch „Queer as F*ck“, in dem er Outing, Identität, Diskriminierung, Sichtbarkeit, Sex und Klischees schreibt.

Die SOS-Kinderdörfer unterstützen junge Menschen, indem sie ihnen bei ihrer Identitätsfindung zur Seite stehen. Warum ist es besonders für junge Menschen wichtig, dass sie in dieser Situation Unterstützung erhalten?  

Als ich bei mir noch nicht so richtig wusste, wo die Reise hingeht, welche sexuelle Orientierung ich habe, hatte ich niemanden um mich herum. Und ich glaube, das wäre für mich ganz, ganz wichtig gewesen, wenn ich in meinem Umfeld Menschen gehabt hätte, die die richtigen Fragen gestellt hätten oder einfach nur unterstützend an meiner Seite gewesen wären. Denn es ist schon verwirrend genug, wenn man selbst nicht weiß, wer man ist und da ist Hilfe von außen einfach Gold wert.

Wie war die Phase der Identitätsfindung damals bei Ihnen?

Ich habe die ersten Jahre ja tatsächlich immer gehofft, dass ich vielleicht doch auf Frauen stehe, weil ich einfach dachte, dass das vieles einfacher für mich machen würde. Ich bin ja außerdem von unterschiedlichen Jungs-Gruppen auch noch gemobbt worden, als ich ein Jugendlicher war. Und insofern war es für mich dann nach einiger Zeit klar, dass homosexuell zu sein ein Problem zu sein scheint und falsch wäre. Und wenn ich damals jemanden an meiner Seite gehabt hätte, der mir a ein Vorbild ist und b einen riesen Support gegeben hätte, dann wäre, glaube ich, vieles einfacher gewesen. Ich wünschte mir jetzt, dass ich mich früher jemandem geöffnet hätte, denn ich habe selber viel zu lange gebraucht, um Hilfe anzunehmen.

Viele, die gerade mitten in der Identitätsfindung stecken, fühlen sich in der Kindheit und Jugend ausgegrenzt – dadurch fällt es vielen auch schwer, sich selbst zu akzeptieren. Welche Tipps haben Sie für junge Menschen, die gerade in dieser Situation sind?

Ich glaube, wir machen uns immer viel zu viel Gedanken darum, was alles falsch laufen könnte. Und ich glaube, wenn wir uns öfter oder schneller jemandem anvertrauen würden, dann wäre die Reise nur halb so wild. Such dir einen Freund, eine Freundin, vielleicht auch ein Familienmitglied, der oder dem du vertraust. Und wenn du niemanden in deinem Umfeld hast, gibt es natürlich viele Beratungsstellen, die dich mit offenen Armen empfangen.

In Ihrem Buch „Queer as f*ck“ geben Sie auch viele Beispiele dafür, dass die Gesellschaft noch lange nicht so tolerant ist, wie sie sein sollte. Was muss sich denn am meisten ändern?

Ich glaube, wir müssen Minderheiten und Randgruppen einfach mehr zuhören. Wir müssen die Menschen fragen: „Was braucht ihr von uns?“; „Wie können wir euch unterstützen?“. Und wir brauchen keine Sätze wie, „Boah, müsst ihr eure Sexualität jetzt wieder in den Vordergrund rücken?“, oder „Müsst ihr jetzt wieder über Homosexualität sprechen?“ In Filmen und Serien machen queere Charaktere 1 Prozent aus, heteronormative Menschen haben 99 Prozent. Lasst uns doch einfach diese 1 Prozent Sichtbarkeit. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass mehr Sichtbarkeit und mehr Verständnis da ist.

Sie engagieren sich als Botschafter seit über 15 Jahren für die SOS-Kinderdörfer. Was macht die Hilfe der SOS-Kinderdörfer für Sie unterstützenswert?

Ich durfte ja schon ein paar SOS-Kinderdörfer besuchen und war von den SOS-Kinderdorf-Müttern so begeistert. Die haben ja teilweise ihre eigenen Familien und trotzdem geben sie den Kindern, um die sie sich kümmern dürfen, so viel Liebe und legen so ein Engagement an den Tag. Das hat mich immer wieder begeistert und mich wirklich richtig glücklich gemacht, das zu sehen. Andererseits bekommen natürlich auch viele Kinder ein Ferien-Angebot oder Sachen gestellt, die sie normalerweise in ihrem Leben nicht hätten. Das finde ich auch bewundernswert. Und dann darf man ja auch nicht vergessen, dass sich die SOS-Kinderdörfer darüber hinaus auch noch für Familien und Kinder in Not einsetzen, nämlich da, wo aktuell die Hilfe am meisten gebraucht wird.

*Interview: Christian Röhrich

www.sos-kinderdorf.de


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