KOMMENTAR zum CSD BERLIN

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Alles nur ein Kommunikationsdefizit? Der Streit um den Berliner CSD und seine Akteure hat tiefe Wunden gerissen, die langsam heilen. Eine Bestandsaufnahme.

Um die tatsächlichen Gründe des Stonewall-Dramas zu erfassen, muss man sich vor allem mit der Historie und den Befindlichkeiten der institutionellen Communitys auseinandersetzen, mit Machtgefügen und Persönlichkeiten. Auf der einen Seite ein sich von seinen Vätern (und fast keinen Müttern) lossagender Verein, der eigene Akzente in der queeren Menschenrechtsarbeit setzen will. Auf der anderen Seite die besagten Väter von Parteien, LSVD, Aidshilfe und Co., die ob der Emanzipation ihres Babys um Einfluss fürchten. Angefacht durch Alphamänner in den Führungspositionen beider Seiten loderte über ein halbes Jahr lang ein heftiges Feuer, das eine Menge Asche zurückließ.

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Mit Szenestammtischen zwischen Verein und Interessierten, mit runden Tischen zwischen Verein und Community-Organisationen sind nach dem CSD im Juni ernsthafte Wiederbegrünungsmaßnahmen getroffen worden, die auf der ordentlichen Mitgliederversammlung des inzwischen auf 120 Mitglieder angewachsenen Vereins erste zaghafte Triebe erkennen ließen. Nährstoff erhält dieses Pflänzchen durch die Neustrukturierung des Vereinsvorstandes, der mit großer Mehrheit einen deutlichen Schritt in queere Szenevernetzung und lesbische Sichtbarkeit gemacht hat. Monique King vom SO36, Angela Schmerfeld vom SchwuZ e. V., beide seit einem viertel Jahrhundert engagiert, und David Staeglich (Daphne de Baakel) werden für ein Jahr neben den erfahrenen Vorstandsmitgliedern Dr. Sissy Kraus und Lutz Ermster die nach Außen sichtbare Vertretung des Vereins übernehmen. Drei von fünf Vorständen äußerten den Wunsch, die Kommunikation in den Mittelpunkt ihrer Vorstandstätigkeit stellen zu wollen. Der Autor dieses Kommentars begrüßt das außerordentlich, denn durch aktive Präsenz bei Teamsitzungen des Vereins wurde ihm schon in den letzten Wochen deutlich, dass es tatsächlich einer tieferen Auseinandersetzung mit der Materie bedarf, als es Posts in sozialen Medien oder Kommentare und Interviews einzelner ProtagonistInnen vermuten lassen.

Schaffen es die neuen Muttertiere gegen die Alphamänner auf allen Seiten Kante zu zeigen und den begonnenen Weg der Öffnung und Transparenz fortzuführen? Werden neue und belastbare basisdemokratische Mittel gefunden, einen größeren Kreis der Communitys im Entscheidungsfindungsprozess mitzunehmen? Die nächsten Monate dürften spannend werden. Allerdings tatsächlich nur für diejenigen, die über eigenes Geltungsbedürfnis hinaus Interesse an einem gemeinsamen Kampf um unsere Rechte haben und im Zweifel ihre Fragen persönlich und vor Ort stellen. Die anderen können sich gerne weiter ihre Birne an Tischplatten Wundscheuern.

PERSÖNLICH INFORMIEREN, KRITISIEREN, MITMACHEN?

Die Sprechstunde des CSD Berlin e.V. findet immer am ersten Dienstag des Monats von 18 bis 20 Uhr statt.

7.10., OFFENE TÜR IM CSD BÜRO, COURBIERESTR. 6, BERLIN, 18 20 UHR


AUSTAUSCHEN, VERNETZEN, KENNENLERNEN

Der CSD Stammtisch findet immer am zweiten Donnerstag im Monat statt. Hier können sich Interessierte mit Teammitgliedern und Vorstand in geselliger Atmosphäre austauschen. Die Räumlichkeiten sind begrenzt, daher wird um Anmeldung unter csd-stammtisch@csd-berlin.de gebeten.

9.10., CSD STAMMTISCH, RESTAURANT ELEFANT, FUGGERSTR. 18, BERLIN, 19 21 UHR

CSD BERLIN IM NETZ

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