CSD-Motto: Zurück auf Anfang

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Foto: blu

„Queer sind Berlin – Jemeinsam!“ gefiel nicht. Wie in jedem Jahr gab es um das Berliner CSD-Motto leidenschaftliche Diskussionen, anders als in den Vorjahren möchte der Vorstand des CSD-Vereins diesmal aber neu abstimmen lassen. Gut so?

Seit Jahren wird nach jeder Forums-Entscheidung darüber diskutiert, ob das als basisdemokratisch betitelte offene CSD-Forum in seiner jetzigen Form repräsentativ bzw. zeitgemäß ist. Schon nach dem großen Streit um den ehemaligen Geschäftsführer Robert Kastl 2014 wurde darüber nachgedacht, ob nicht eine Verlagerung der Abstimmung in die digitale Onlinewelt sinnvoll und machbar ist. Onlineabstimmungen sind störanfällig für Beeinflussung und Manipulation, sodenn sie nicht über Systeme mit Registrierung durchgeführt werden. Solche Systeme kosten ein bisschen was, deshalb ist die Diskussion im Verein darüber immer wieder eingeschlafen, der Schuldenabbau hatte Vorrang. 2018 konnte der Vorstand dann noch einmal live miterleben, wie ihm beinahe die Kontrolle über das Plakat zum Motto entglitt und ein subversives Design der Aktivistin und Autorin Patsy l'Amour laLove in den offenen Online-Votings vorne lag.

Also entschied man, das Forum so zu belassen wie es ist und rief im Januar wie gewohnt zur Abstimmung über das Motto für den CSD 2019.

Rund 30 Menschen nahmen sich die Zeit, über Stunden zu diskutieren und zu kombinieren und entschieden knapp „Queer sind Berlin – Jemeinsam!“ soll es sein. Der danach folgende Disput in den sozialen Netzwerken war laut und heftig. Anders als in den Vorjahren rückte der CSD-Vorstand vom bisherigen Grundsatz ab, dass demokratisch gefällte Entscheidungen des Forums zu respektieren sind. Auch darüber wird nun wieder heftig gestritten, denn Mensch haut sich seine Freizeit sicher nicht gerne umsonst um die Ohren, nur um dann zu erfahren, dass er nochmal ran darf, weil Nichtbeteiligte zu laut protestierten.

Online-Meinungsbild und Forum

Bis zum 20. März können neue Vorschläge an motto@csd-berlin.de gesendet werden. Sie werden zusammen mit den bereits vorliegenden HIER gesammelt und danach auch online zur Diskussion gestellt werden. Eine finale Abstimmung wird es in einem weiteren Forum geben. Der Vorstand des Berliner CSD e.V. dazu: 

„Der erneute Motto-Findungsprozess greift die in der Community entstandene Dynamik auf. Das ist vom Ablauf her natürlich ein zusätzlicher Schritt und nicht optimal, wir setzen aber auf die offene Diskussion im Forum, um mit einem Motto zu demonstrieren, mit dem sich möglichst viele Teilnehmer*innen identifizieren können.

Kommentar: Mehr Demokratie wagen!

Die Einleitung dieses Artikels endet mit der Frage, ob die neuerliche Mottosuche eine gute Entscheidung ist. Sie ist eine Ablenkung davon, dass die Entscheidungsfindungsprozesse rund um die politische Ausrichtung des CSDs noch ähnlich strukturiert sind, wie zu seiner Gründungszeit. Immerhin: Einer der Vorstände kündigte auf Facebook ein Forum über die Zukunft des Forums in naher Zukunft an. Es wäre zu wünschen, dass dies wirklich passiert. Basisdemokratie im Netz ist kein Hexenwerk. Dem CSD einer Metropole, die wie keine andere in Deutschland für gesellschaftlichen Fortschritt und digitale Moderne steht, würde Mut zu neuen Wegen gut zu Gesicht stehen. Ideen liegen vor. *Christian Knuth

Offenlegung: Der Autor war von 2016 bis 2018 Vorstand im Berliner CSD e.V. und ist dort zur Zeit einfaches Mitglied

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